(1) Ist eine Verwertungssperre ergangen, sind dem Gläubiger die geschuldeten Zinsen zu zahlen und der durch die Nutzung eintretende Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Dies gilt nicht, soweit nach der Höhe der Forderung und der sonstigen Belastung des Gegenstands mit einer Befriedigung des Gläubigers aus dem Verwertungserlös nicht zu rechnen ist.

(2) Zieht der Schuldner nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen mit dem Berechtigten Forderungen ein, die zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten sind, oder veräußert oder verarbeitet er bewegliche Sachen, an denen Rechte bestehen, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Aus- oder Absonderungsrechte geltend gemacht werden könnten, sind die dabei erzielten Erlöse an den Berechtigten auszukehren oder unterscheidbar zu verwahren, es sei denn, der Schuldner trifft mit dem Berechtigten eine anderweitige Vereinbarung.


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Mit der Regelung wird gesetzlich bestimmt, wie die Nachteile auszugleichen sind, die einem ab- oder aussonderungsberechtigten Gläubiger dadurch entstehen, dass er durch eine Verwertungssperre nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 an der Geltendmachung seiner Rechte gehindert wird (vgl. § 49 Rn. 33 ff.).

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§ 54 Abs. 1 schützt den Gläubiger vor Zinsverlustschäden, die er während der Verwertungssperre erleidet und gewährt ihm für die Einschränkung seiner Rechtsausübung ein wirtschaftliches Äquivalent. Die Norm sieht die Zahlung geschuldeter Zinsen und laufende Zahlungen zum Ausgleich eines durch die Nutzung entstandenen Wertverlustes vor, sofern der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des aus- oder absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt.

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Darüber hinaus hat der Schuldner nach § 54 Abs. 2 die erzielten Erlöse aus dem Einzug von zur Sicherheit abgetretener Forderungen oder aus der Veräußerung und Verarbeitung unter Eigentumsvorbehalt gelieferter Ware unterscheidbar zu verwahren oder auszukehren, sofern er keine anderweitige Vereinbarung mit dem jeweiligen Gläubiger trifft. Diese Regelung war im ursprünglichen Referentenentwurf nicht enthalten. Entsteht einem Gläubiger aus einer nicht ordnungsgemäßen Auskehrung oder Verwahrung der Erlöse ein Schaden, so ist der Geschäftsleiter zudem diesem davon betroffenen Gläubiger gemäß § 57 S. 2 zum Ersatz des Schadens verpflichtet (vgl. § 57 Rn. 19).

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Die Systematik dieser Vorschrift orientiert sich an der des § 21 InsO im vorläufigen Insolvenzverfahren und bezweckt, dass die Gläubiger im Restrukturierungsverfahren nicht schlechter gestellt werden als im vorläufigen Insolvenzverfahren. § 54 ist somit an § 21 Abs. 1 Nr. 5 InsO angelehnt. Dies gilt jedoch wiederum nur, soweit mit einer Befriedigung des Gläubigers aus dem Verwertungserlös zu rechnen ist.

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Dafür, dass der Schuldner die betreffenden Gegenstände weiter für die Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebs einsetzen kann, hat er dem betroffenen Gläubiger die geschuldeten Zinsen zu zahlen und den durch die Nutzung eintretenden Wertverlust des Gegenstands durch laufende Zahlungen auszugleichen.

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Wurde der aus- oder absonderungsbelastete Gegenstand aufgrund eines Nutzungsvertrages überlassen (z.B. Miet- oder Leasingvertrag), bestimmen sich die Höhe und Zeitpunkte der Zinszahlung nach den vertraglichen Regelungen. Das Nutzungsentgelt stellt damit die vertragsgemäße Gegenleistung für die zeitlich begrenzte gerichtliche Überlassung der Sache dar. 

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Soweit keine vertragliche Vereinbarung bestand, ist das verkehrsübliche Nutzungsentgelt geschuldet (Zur InsO: BT-Drs. 16/3227, 16; HmbKommInsR/Schröder § 21 Rn. 83; Heublein, ZInsO 2009, S. 11, 13 ff.). Soweit dies im Einzelfall problematisch zu ermitteln ist, erscheint auch eine Mindestverzinsung nach dem gesetzlichen Zinssatz des § 246 BGB in Höhe von 4 % für sachgerecht. Die Zahlungen sollten monatlich geleistet werden.

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Dem betroffenen Gläubiger ist zudem neben den Nutzungsausfallansprüchen ein etwaiger Wertersatz zu leisten, soweit die Sicherheit des Gläubigers durch die Nutzung entsprechend an Wert verliert und dies nicht bereits in dem Nutzungsentgelt berücksichtigt ist (zur InsO BGH NZI 2012, S. 369 Rn. 14; NJW 2016, S. 3783 Rn. 7f.). Ein Wertersatzanspruch ist daher gegeben, wenn der Wertverlust darauf beruht, dass der Gegenstand entweder über die vertragliche Abrede hinaus genutzt wird oder eine Beschädigung erleidet und infolgedessen an Wert verliert. Es besteht jedoch kein ausgleichspflichtiger Wertverlust durch die Nutzung, wenn und soweit der Wertverlust bereits in das laufende Nutzungsentgelt einkalkuliert und durch dessen Zahlung abgegolten wird (HmbKommInsR/Schröder § 21 Rn. 83 m.w.N.).

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Die Höhe des Wertersatzanspruchs liegt konkret in der Differenz des Wertes der Sache zu Beginn der Anordnung und bei deren Ende (zur InsO: BGH NZI 2012, S. 369 Rn. 23 aE). Die Höhe des Schadensersatzes kann allerdings auch nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen gemäß § 287 ZPO im Schätzwege ermittelt werden (zur InsO: BGH NZI 2016, S. 946 Rn. 10ff.). Insoweit ist auch der Rückgriff auf die vom Bundesministerium für Finanzen herausgegebenen Abschreibungslisten zulässig.

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Der Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Angemessen erscheint hier regelmäßig eine monatliche Zahlung, um den betroffenen Gläubiger eine Refinanzierung zu ermöglichen und das Insolvenzrisiko gering zu halten (zu § 172 InsO: HK-InsO/Landfermann Rn. 7; MüKo-InsO/Tetzlaff Rn. 21). Eine spätere Zahlung, wie beispielsweise in § 169 S. 2 InsO normiert, ist nicht möglich/ vorgesehen (Riggert/Seagon, NZI 2021, S. 1, 44).

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Nach § 54 Abs. 1 S. 2 scheiden Ansprüche auf Nutzungsentschädigung und Wertersatz aus, wenn nach der Höhe der Forderung und der sonstigen Belastung des Gegenstands mit einer Befriedigung des Gläubigers aus dem Verwertungserlös nicht zu rechnen ist.

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Für die Vollstreckungssperre in das unbewegliche Vermögen enthält § 30g Abs. 2 S. 1 ZVG eine dem § 54 Abs. 1 entsprechende Regelung.

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Abs. 2 regelt den Umgang mit dem Erlös, der aufgrund einer gerichtlichen Anordnung einer Einziehungs-, Verarbeitungs- oder Veräußerungsbefugnis aus Gegenständen realisiert wurde und an dem im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Aus- oder Absonderungsrechte geltend gemacht werden könnten.

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§ 54 Abs. 2 schützt in Verbindung mit der Haftungsregelung des § 57 S. 2 die Gläubiger, deren Forderungen durch revolvierende Sicherheiten besichert sind. Hintergrund ist, dass diese Gläubiger nicht schlechter gestellt werden sollen als in einem (vorläufigen) Insolvenzverfahren (BT-Drs. 19/24181, S. 157).

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Ähnlich wie die Regelung in § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO für den Einzug von zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung bestimmt Abs. 2, dass der Schuldner die aufgrund der Stabilisierungsanordnung erzielten Erlöse, an denen im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, an die betreffenden Gläubiger auszukehren oder unterscheidbar zu verwahren hat, es sei denn, er trifft mit dem Berechtigen eine anderweitige Vereinbarung (zur InsO: BGH ZInsO 2019, S. 563, Rn. 39ff.; Smid, ZInsO 2019, S. 2554; Thole, ZIP 2019, S. 552). Soweit das Sicherungsrecht nicht den vollständigen Erlös (z.B. erweiterter Eigentumsvorbehalt) erfasst, kann der Schuldner den nichtbelasteten Erlösanteil für die Betriebsfortführung einsetzen. Nach der Norm sind die vertraglichen Regelungen zwischen dem Schuldner und dem betreffenden Gläubiger maßgeblich. Soweit hiernach das Sicherungsrecht jedoch vollständig oder nahezu vollständig am Erlös besteht, darf der Schuldner den Erlös nicht ohne eine Vereinbarung mit dem betreffenden Sicherungsgläubiger im Rahmen der Betriebsfortführung einsetzen (zur InsO: BGH, ZInsO 2010, S. 714, Rn. 28; zur Vereinbarung Ganter, FS Wellensiek, S. 399, 400, 404: »Liquiditätsvereinbarung«; Ganter zum Ganzen NZI 2010, S. 551 ff.; Johlke/Jensen, FS Wellensiek, S. 563 ff. und Flöther/Wehner, NZI 2010, S. 554 ff.). 

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Ist der Gläubiger nicht bereit eine entsprechende Vereinbarung mit dem Schuldner für die Nutzung des Erlöses im Rahmen der Betriebsfortführung zu schließen, ist der Erlös, soweit das Sicherungsrecht reicht, entweder an den Gläubiger auszukehren oder unterscheidbar zu verwahren. Die Verwahrung (Separierung) hat getrennt von dem eigenen haftenden Vermögen zu erfolgen, damit auch im Falle des Scheiterns der Restrukturierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens die betroffenen Erlöse herausgegeben werden können. Eine Verwahrung auf dem eigenen Konto scheidet daher aus. Für die Verwahrung dieser Gelder bietet sich insbesondere der Einzug auf einem zugunsten der jeweils betreffenden Sicherungsnehmer eingerichteten offenen Treuhandkonto an (zur InsO: BGH ZInsO 2019, S. 563, Rn. 40; Diskussionspapier des Bankenverbandes zu diesem Urteil ZInsO 2019, S. 2205; Riggert/Seagon, NZI 2021, S. 1, 44). Soweit mehrere mögliche berechtigte Sicherungsnehmer vorhanden sind, ist das offene Treuhandkonto entsprechend einzurichten (z.B. Vermieterpfandrechte vs. Raumsicherungsvertrag/ Globalzession). Im Falle eines sich anschließenden Insolvenzverfahrens bestehen zugunsten der betroffenen Sicherungsnehmer insolvenzfeste Aussonderungsrechte nach § 47 InsO an dem Erlös (BGH ZInsO 2019, S. 563, Rn. 40). So können auch etwaige Unstimmigkeiten bezüglich der Berechtigungen an dem Erlös geklärt werden. So kann beispielsweise auch der Vorrang des Vermieterpfandrechts gegenüber den Rechten aus einer Raumsicherungsübereignung berücksichtigt werden (BGH ZInsO 2019, S. 563, Rn. 74; BGHZ 117, S. 200, 207). 

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Ist die Separierung unterblieben und eine Auskehrung aufgrund eines sich anschließenden Insolvenzverfahrens nicht mehr möglich, haftet der Geschäftsleiter des Schuldners den Gläubigern gemäß § 57 S. 3 verschuldensabhängig auf Schadensersatz. Gemäß § 57 S. 2 wird das Verschulden hierbei widerleglich vermutet (vgl. § 57 Rn. 17).

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Um die Erlöse im Interesse der Erhaltung des Geschäftsbetriebs auch einsetzen zu können, bedarf es daher einer Vereinbarung mit dem betreffenden Gläubiger. Diese wird regelmäßig so aussehen, dass der Gläubiger für die Einsetzung des Erlöses adäquate neue Sicherungsrechte an den Gegenständen erhält, die mit dem Erlös neu erwirtschaftet werden. 

19

Im Falle des Einzugs von sicherungsabgetretenen Forderungen sollte zudem ein angemessener prozentualer Betrag aus dem Forderungseinzug an den Gläubiger als Schuldendienst abgeführt werden. Die Höhe dieses Betrags sollte maximal der Höhe des vertraglich geschuldeten Betrags entsprechen, diesen aber nicht übersteigen. 

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Soweit das Sicherungsrecht einer Lieferbeziehung entstammt, bei der zur Veräußerung oder Verwertung bestimmte Waren unter Eigentumsvorbehalt geliefert wurden, bietet sich eine Vereinbarung dergestalt an, dass der vertraglich geschuldete Wert der Ware aus dem Erlös an den Gläubiger gezahlt wird und der verbleibende Differenzbetrag für die Betriebsfortführung eingesetzt werden darf, insbesondere für Neubestellungen.