(1) Die Regelungen eines rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplans und Rechtshandlungen, die
im Vollzug eines solchen Plans erfolgen, sind mit Ausnahme von Forderungen im Rang des § 39 Absatz 1 Nummer 5 der Insolvenzordnung und Sicherheitsleistungen, die nach § 135 der Insolvenzordnung oder § 6 des Anfechtungsgesetzes anfechtbar sind, bis zur nachhaltigen Restrukturierung einer Anfechtung nur zugänglich, wenn die Bestätigung auf der Grundlage unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Schuldners erfolgte und dem anderen Teil dies bekannt war.

(2) Sieht der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans die Übertragung des gesamten schuldnerischen Vermögens oder wesentlicher Teile davon vor, gilt Absatz 1 nur, soweit sichergestellt wird, dass die Gläubiger, die nicht planbetroffen sind, sich gegenüber den Planbetroffenen vorrangig aus der dem Wert des Gegenstands der Übertragung angemessenen Gegenleistung befriedigen können.


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§ 90 schützt (mit Einschränkungen) die aufgrund eines gerichtlich bestätigten, rechtskräftigen Restrukturierungsplans vorgenommenen Vollzugshandlungen vor der Anfechtung im Insolvenzverfahren, sollte die Restrukturierung letztendlich scheitern.

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Nach Abs. 1 sind die Regelungen eines rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplans sowie Vollzugshandlungen im Sinne von § 2 bis zur nachhaltigen Restrukturierung nur anfechtbar, wenn die Planbestätigung auf der Grundlage unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Schuldners erfolgte und dies dem anderen Teil bekannt war.

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Zu den von Abs. 1 erfassten Rechtshandlungen gehören alle Einzelmaßnahmen, die den Vollzug des Restrukturierungsplans unmittelbar ermöglichen und nicht gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 ausgenommen sind. Andere Handlungen, die zum Vollzug des Plans nicht erforderlich sind, werden hingegen von dem Anfechtungsausschluss nicht erfasst. Die Abgrenzung kann im Einzelfall mitunter schwierig sein (z.B. bei revolvierenden Sicherheiten), deren Klärung der Rechtsprechung überlassen bleibt. So soll nach der Gesetzesbegründung die Auszahlung eines im Restrukturierungsplan vorgesehenen Darlehens eine Handlung sein, die den Vollzug ermöglicht und deshalb in den Schutzbereich der Vorschrift fallen soll, wohingegen die spätere Rückführung desselbigen nicht für die Umsetzung des Plans erforderlich ist und folglich nicht dem Anfechtungsausschluss unterliegen soll (BT-Drucks. 19/24181, S. 182; kritisch hierzu: Zuleger, NZI-Beilage 2021, S. 43, 45).

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Der Anfechtungsausschluss besteht nur für den Zeitraum, bis die Restrukturierung nachhaltig abgeschlossen ist. Dieser Zeitraum könnte dem in § 39 Abs. 4 InsO (Sanierungsprivileg für Anteilsübernahme zum Zwecke der Sanierung) normierten Zeitraum angelehnt sein. Scheitert die Restrukturierung entgegen den Erwartungen vor ihrem planmäßigen Abschluss und folgt daraus die Insolvenz des Schuldners, so unterliegen die vorgenommenen notwendigen Rechtshandlungen zur Umsetzung des Plans dem Anfechtungsausschluss. Wurde die Restrukturierung hingegen erfolgreich beendet und folgt anschließend die Insolvenz aus anderen Gründen, so greift der Anfechtungsausschluss nicht mehr ein und die Rechtshandlungen sind, bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen, der Insolvenzanfechtung zugänglich.

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Zur Frage, wann das Stadium einer nachhaltigen Restrukturierung erreicht ist, enthält das Gesetz keine Angaben. Für den Fall der erneuten Inanspruchnahme von Stabilisierungsmaßnahmen besteht in § 33 Abs. 2 S. 3 die gesetzliche Vermutung, dass vor Ablauf von 3 Jahren im Zweifelsfall nicht von einer nachhaltigen Krisenbewältigung auszugehen ist. Es obliegt der Rechtsprechung, die Kriterien für eine nachhaltige Restrukturierung im Einzelfall zu entwickeln (kritisch hierzu: Zuleger, NZI-Beilage 2021, S. 43, 45).

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Der Anfechtungsausschluss kommt nicht in Betracht, wenn die Planbestätigung aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Schuldners erfolgte und der andere Teil (Beteiligter der Restrukturierungshandlung) Kenntnis davon hatte.

7

Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sowie Sicherheitsleistungen, die nach § 135 InsO oder § 6 AnfG der Anfechtung unterliegen, sind vom Anfechtungsausschluss nicht erfasst.

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Sieht der Restrukturierungsplan die Übertragung des gesamten schuldnerischen Vermögens oder eines wesentlichen Teils davon vor, kommt ein Anfechtungsausschluss nur unter den besonderen Bedingungen des § 90 Abs. 2 in Betracht.

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Grundsätzlich überwiegt im Insolvenzfall das Interesse der nicht vom Plan betroffenen Gläubiger am Erhalt der Haftungsmasse. Dies folgt aus dem Umstand, dass diese Gruppe mangels Beteiligung am Plan auch keine Verschlechterung ihrer Befriedigungsmöglichkeiten dulden muss. Zum Schutz der Interessen der nicht am Plan beteiligten Gläubiger stellt Abs. 2 die Anwendung des Anfechtungsausschlusses unter die Bedingung, dass einerseits den nicht vom Plan betroffenen Gläubigern eine vorrangige Befriedigungsmöglichkeit aus dem mit der Übertragung erzielten Erlös eingeräumt wird und andererseits die für die Übertragung erhaltene Gegenleistung wertmäßig angemessen erscheint.

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Wann die Übertragung eines wesentlichen Teils im Sinne der Vorschrift vorliegt, definiert der Gesetzgeber nicht. In der Gesetzesbegründung heißt es lediglich, dass die Fälle der Übertragung des gesamten schuldnerischen Vermögens sowie die Übertragung eines Teils, der beinahe das gesamte schuldnerische Vermögen betrifft, gleich zu behandeln sind (BT-Drucks. 19/24181, S. 182). Folglich scheint es für die Abgrenzung zur Übertragung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Teilen ausschließlich auf den Vermögensvergleich „vorher und nachher“ anzukommen. Das Maß der Interessenbeeinträchtigung aus der Perspektive des nicht vom Plan betroffenen Gläubigers scheint für die Einordnung unbeachtlich zu sein.