(1) Das Restrukturierungsgericht hebt die Restrukturierungssache von Amts wegen auf, wenn

  1. der Schuldner einen Insolvenzantrag stellt oder über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet ist,

  2. das Restrukturierungsgericht für die Restrukturierungssache unzuständig ist und der Schuldner innerhalb einer vom Restrukturierungsgericht gesetzten Frist keinen Verweisungsantrag gestellt oder die Anzeige zurückgenommen hat oder

  3. der Schuldner in schwerwiegender Weise gegen seine Pflichten zur Mitwirkung und Auskunftserteilung gegenüber dem Gericht oder einem Restrukturierungsbeauftragten verstößt.

(2) Das Gericht hebt die Restrukturierungssache ferner auf, wenn

  1. der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nach § 32 Absatz 3 angezeigt hat oder andere Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass der Schuldner insolvenzreif ist; von einer Aufhebung der Restrukturierungssache kann abgesehen werden, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Blick auf den erreichten Stand in der Restrukturierungssache offensichtlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegen würde; von einer Aufhebung kann auch abgesehen werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung aus der Kündigung oder sonstigen Fälligstellung einer Forderung resultiert, die nach dem angezeigten Restrukturierungskonzept einer Gestaltung durch den Plan unterworfen werden soll, sofern die Erreichung des Restrukturierungsziels überwiegend wahrscheinlich ist,

  2. sich aufgrund einer Anzeige nach § 32 Absatz 4 oder aus sonstigen Umständen ergibt, dass das angezeigte Restrukturierungsvorhaben keine Aussicht auf Umsetzung hat,

  3. ihm Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass der Schuldner in schwerwiegender Weise gegen die ihm nach § 32 obliegenden Pflichten verstoßen hat, oder

  4. in einer früheren Restrukturierungssache

    a)  der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung oder eine Planbestätigung erwirkt hat oder
    b)  eine Aufhebung nach Nummer 3 oder nach Absatz 1 Nummer 3 erfolgt ist.

Satz 1 Nummer 4 ist nicht anwendbar, wenn der Anlass für die frühere Restrukturierungssache infolge einer nachhaltigen Sanierung bewältigt wurde. Sind seit dem Ende des Anordnungszeitraums oder der Entscheidung über den Antrag auf Planbestätigung in der früheren Restrukturierungssache weniger als drei Jahre vergangen, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine nachhaltige Sanierung nicht erfolgt ist. Der Inanspruchnahme von Instrumenten des Restrukturierungsrahmens steht ein in Eigenverwaltung geführtes Insolvenzverfahren gleich.

(3) Eine Aufhebung der Restrukturierungssache unterbleibt, solange das Gericht von einer Aufhebung einer Stabilisierungsanordnung gemäß § 59 Absatz 3 abgesehen hat.

(4) Gegen die Aufhebung der Restrukturierungssache nach den Absätzen 1 bis 3 steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.


1

§ 33 regelt die Fälle, in denen das Gericht eine rechtshängige Restrukturierungssache von Amts wegen aufhebt.

2

Dem Schuldner bleibt es unbenommen, jederzeit die Anzeige gemäß § 31 Abs. 4 Nr. 1 zurückzunehmen (hierzu § 31 Rn. 27). Unabhängig davon muss das Restrukturierungsgericht zum Schutz der Gläubiger in der Lage sein, die Restrukturierungssache aufzuheben, wenn Umstände vorliegen, die das Erreichen des Restrukturierungsziels gefährden oder unmöglich machen.

3

Die Restrukturierungssache kann wegen Gründen aufgehoben werden, die bereits zum Zeitpunkt der Anzeige vorlagen oder die erst im Laufe der Durchführung der Restrukturierungsinstrumente des § 29 Abs. 2 eingetreten sind.

4

Im ersten Fall kommt ihr die Funktion einer nachträglichen Kontrolle zu (BT-Drucks. 19/24181, S. 138). Die Anzeige der Restrukturierungssache führt zur Rechtshängigkeit ohne inhaltliche Kontrolle (siehe § 31 Rn. 9). Nicht kontrolliert wird insbesondere, ob

  • das angerufene Restrukturierungsgericht zuständig ist (siehe Abs. 1 Nr. 2),
  • das Restrukturierungsvorhaben Aussicht auf Umsetzung hat (siehe Abs. 2 Satz 1 Nr. 2),
  • der Schuldner bereits Restrukturierungsinstrumente erfolglos in Anspruch genommen hat (Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Satz 2).
5

In diesen Fällen soll die Inanspruchnahme des Stabilisierung- und Restrukturierungsrahmens dem Schuldner verwehrt werden.

6

Andererseits kann die Aufhebung aus den folgenden, nachträglich eingetretenen Umständen resultieren:

  • Schwerwiegende Verletzung der Mitwirkungs- und Auskunftserteilungspflichten (Abs. 1 Nr. 3),
  • Eintritt der Insolvenzreife (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1),
  • Schwerwiegende Verletzung der Pflichten nach § 32.
7

Die Aufhebung sanktioniert in diesen Fällen Fehlverhalten des Schuldners, die eine Fortsetzung der Restrukturierungsinstrumente für die Gläubiger unzumutbar machen, oder trägt dem Vorrang des Insolvenzverfahrens Rechnung. Die fehlenden Umsetzungsaussichten können dabei entweder von vornherein bestanden haben oder sich aufgrund einer nicht vorhersehbaren Verschlechterung ergeben haben.

8

Die Aufhebung erfolgt von Amts wegen und setzt damit voraus, dass das Gericht von dem in § 39 Abs. 1 verankerten Amtsermittlungsgrundsatz aktiv Gebrauch macht und sich nicht auf etwaige Mitteilungen des Schuldners verlässt, deren Unterbleiben durch die Aufhebung der Restrukturierungssache gerade sanktioniert werden sollen.

9

Aufhebungsanträge Dritter, etwa von Gläubigern, sind nicht vorgesehen, da allein die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache die Rechte oder Interessen Dritter noch nicht beeinträchtigt (BT-Drucks. 19/24181, S. 138).

10

Hinsichtlich der Stabilisierungsanordnung enthält § 59 eine eigene Regelung der Aufhebung, die von Amts wegen oder auf Antrag des Schuldners (§ 59 Abs. 1 Nr. 1) oder eines Gläubigers (§ 59 Abs. 2) erfolgt. Diese Aufhebung betrifft dabei nur die Stabilisierung und geht nicht mit einer Aufhebung der Restrukturierungssache einher. Im umgekehrten Fall hingegen hat die Aufhebung nach § 33 gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 2 die Aufhebung der Stabilisierungsanordnung zur Folge. Zu beachten ist jedoch die Regelung in § 33 Abs. 3, wonach die Aufhebung der Restrukturierungssache unterbleibt, wenn das Gericht von einer Aufhebung der Stabilisierungsanordnung abgesehen hat, § 59 Abs. 3 (siehe § 59 Rn. 29 ff.).

 

11

Die Aufhebungsgründe sind in § 33 Abs. 1 und 2 aufgezählt. Ein Grund für diese Verteilung in zwei Absätzen ist dabei nicht ersichtlich.

12

Insbesondere dürfte es keine Rolle spielen, dass Abs. 2 Satz 1 nicht ausdrücklich eine Aufhebung „von Amts wegen“ vorsieht. Systematisch betrachtet besteht kein Grund dafür, bei den in Abs. 2 geregelten Gründen von einer fakultativen Aufhebung auszugehen. Auch der Wortlaut („Das Gericht hebt die Restrukturierungssache ferner auf, wenn“) lässt keinen Raum für ein Ermessen des Gerichts (so auch: Braun-StaRUG/Haffa/Schuster, § 33 Rn. 14).

13

Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 hebt das Gericht die Restrukturierungssache auf, wenn der Schuldner einen Insolvenzantrag stellt oder wenn ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet wird.

14

Hierdurch wird der Vorrang des Insolvenzverfahrens vor dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens zum Ausdruck gebracht. Sollte der drohend zahlungsunfähige Schuldner einen Insolvenzantrag gestellt haben, so schließt das eine Sanierung im Rahmen des StaRUG aus (BT-Drucks. 19/24181, S. 138). Die Restrukturierungsinstrumente können nicht parallel zu einem (vorläufigen) Insolvenzverfahren, das bereits über ausreichende Sanierungsinstrumente verfügt, eingesetzt werden.

15

Sollte hingegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf einem Fremdantrag beruhen, liegt zwangsläufig Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung vor. Auch in diesem Fall sind die Restrukturierungsinstrumente nicht mehr geeignet und die Restrukturierungssache aufzuheben (BT-Drucks. 19/24181, S. 138).

16

Die Restrukturierungssache ist ebenfalls aufzuheben, wenn das angerufene Gericht unzuständig ist und der Schuldner innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist keinen Verweisungsantrag gestellt oder die Anzeige zurückgenommen hat, § 33 Abs. 1 Nr. 2.

17

Unter Zuständigkeit ist allein die örtliche Zuständigkeit gemäß § 35 StaRUG zu verstehen (Braun-StaRUG/Haffa/Schuster, § 33 Rn. 14). Hiernach ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, es sei denn, der Mittelpunkt einer wirtschaftlichen Tätigkeit liegt an einem anderen Ort (vgl. § 3 InsO).

18

Bei fehlender sachlicher Zuständigkeit (wenn zum Beispiel die Anzeige nach § 31 bei einem Gericht erfolgt, das kein Restrukturierungsgericht im Sinne von § 34 ist) dürfte bereits keine Restrukturierungssache rechtshängig geworden sein, sodass sich eine Aufhebung erübrigt.

19

Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 hebt das Gericht die Restrukturierungssache auf, wenn der Schuldner in schwerwiegender Weise gegen seine Pflichten zur Mitwirkung und Auskunftsmitteilung gegenüber dem Gericht oder dem Restrukturierungsbeauftragten verstößt.

20

Bei diesen Mitwirkungs- und Auskunftspflichten handelt es sich nicht etwa um die in § 32 festgelegten Pflichten, deren Verletzung einen eigenen Aufhebungsgrund nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 darstellt, sondern vielmehr um die Pflichten nach § 39 Abs. 2 und § 76 Abs. 5 (BT-Drucks. 19/24181, S. 138.). Nach § 39 Abs. 2 hat der Schuldner dem Restrukturierungsgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über seine Anträge erforderlich sind, und es auch sonst bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen.

21

Nach § 76 Abs. 5 ist der Schuldner verpflichtet, wenn ein Restrukturierungsbeauftragter von Amts wegen bestellt wurde, diesem die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, ihm Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere zu gewähren und ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen (hierzu § 76 Rn. 43 ff.).

22

Bei § 33 Abs. 1 Nr. 3 kommt es nicht auf das Bekanntsein konkreter Umstände an, aus welcher sich die Pflichtverletzung ergibt, sondern auf die Feststellung einer Pflichtverletzung. Bei § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 folgt nach der Gesetzesbegründung hieraus, dass keine anlasslose, uneingeschränkte Amtsermittlung und keine Aufsichtspflicht des Gerichts bestehen. Nur in dem Fall, dass das Gericht von Umständen erfährt, die einen hinreichenden Verdacht für das Vorliegen von schwerwiegenden Pflichtverletzungen des Schuldners begründen, hat das Gericht dies zu untersuchen (BT-Drucks. 19/24181, S. 139).

23

Im Umkehrschluss, und schon wegen des unterschiedlichen Wortlauts, dürfte somit bei § 33 Abs. 1 Nr. 3 von einer Amtsermittlung auszugehen sein, mit der Folge, dass das Restrukturierungsgericht die Verletzung von Mitwirkungs- und Auskunftspflichten aktiv und laufend überwacht. Wie dies zu erfolgen hat, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen und wird von jedem Gericht zu konkretisieren sein.

24

Die Pflichtverletzung muss ferner schwerwiegend sein. Demnach führt nicht jede Pflichtverletzung zur Aufhebung der Restrukturierungssache. Die Pflichtverletzung soll vielmehr zum Ausdruck gebracht haben, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Schuldner nicht möglich ist.

25

Ein weiterer Grund zur Aufhebung der Insolvenzreife ist nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Eintritt der Insolvenzreife. Wie bei Abs. 1 Nr. 1 ist dies ein Ausfluss des Vorrangs des Insolvenzverfahrens vor den Restrukturierungsinstrumenten. Bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung kann die Krisenbewältigung nur noch unter Einbeziehung aller Gläubiger erfolgen, was beim Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen gerade nicht der Fall ist (BT-Drucks. 19/24181, S. 139).

26

Nach § 32 Abs. 3 ist der Schuldner verpflichtet, dem Restrukturierungsgericht den Eintritt der Insolvenzreife unverzüglich anzuzeigen. Darüber hinaus kann sich die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung aus anderen Umständen ergeben. Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass das Gericht trotz des in § 39 Abs. 2 festgelegten Amtsermittlungsgrundsatzes nicht zur anlasslosen Ermittlung aller Umstände gehalten ist. Erst wenn konkrete Umstände bekannt sind, hat das Gericht die Insolvenzreife näher zu untersuchen. Hierzu gehören nach der Gesetzesbegründung auch entsprechende Hinweise und Anträge von Gläubigern (BT-Drucks. 19/24181, S. 139, mit Verweis auf § 59 Abs. 2).

27

Um das bisherige Ergebnis der Restrukturierungsinstrumente nicht zu gefährden sieht der zweite Halbsatz in zwei Fallkonstellationen vor, dass trotz Eintritts eines Insolvenzgrundes das Gericht von der Aufhebung der Restrukturierungssache absehen kann.

28

Dies ist zunächst der Fall, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Blick auf den erreichten Stand in der Restrukturierungssache offensichtlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegen würde. Der erreichte Stand muss dabei sehr weit fortgeschritten sein. Die unmittelbar bevorstehende Bestätigung eines bereits angenommenen Plans muss zur Beseitigung der eingetretenen Insolvenzlage führen (BT-Drucks. 19/24181, S. 139). Dies muss zudem „offensichtlich“ sein, also unmittelbar ersichtlich, und weiterhin im Interesse der „Gesamtheit der Gläubiger“ liegen. Damit kommt zum Ausdruck, dass der Eintritt der Insolvenzreife eine Änderung des Bewertungsmaßstabs bewirkt: Es kommt bei der Abwägung nicht mehr nur auf die Planbeteiligten, sondern auf alle Gläubiger an. 

29

Sollte der erreichte Stand der Restrukturierung derart fortgeschritten sein, dürfte die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens meist nicht im Interesse der Gläubiger liegen. Grund hierfür sind die zusätzlichen Kosten des Insolvenzverfahrens und die zeitliche Verzögerung, welche durch die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens verursacht würde.

30

Ferner kann das Gericht von der Aufhebung absehen, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung aus einer Kündigung oder sonstigen Fälligstellung einer Forderung resultiert, die nach dem angezeigten Restrukturierungskonzept einer Gestaltung durch den Plan unterworfen werden soll, sofern die Erreichung des Restrukturierungsziels überwiegend wahrscheinlich ist. Auch in diesem Fall knüpft der Ausnahmetatbestand an den fortgeschrittenen Stand der Restrukturierungssache an. Anders als in der ersten Konstellation werden aber nur Forderungen von Planbetroffenen berücksichtigt: Ergibt sich die Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung nur aus solchen Forderungen, die ohnehin durch den Plan gestaltet werden sollen (etwa durch Verzicht, Stundung oder ähnliches), so wäre es kontraproduktiv, die Restrukturierungssache deshalb scheitern zu lassen.

31

Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 hebt das Gericht die Restrukturierungssache auf, wenn das angezeigte Restrukturierungsvorhaben keine Aussicht auf Umsetzung hat. Diese Erkenntnis kann sich dabei entweder aus einer Anzeige des Schuldners nach § 32 Abs. 4 oder aus sonstigen Umständen ergeben.

32

Die fehlende Umsetzungsaussicht ist dann zu vermuten, wenn die Ablehnung des Vorhabens unter denjenigen, deren Zustimmung als Planbetroffene erforderlich wäre, so verbreitet ist, dass nicht damit gerechnet werden kann, dass ein das Vorhaben abbildender Restrukturierungsplan mit den erforderlichen Mehrheiten angenommen werden kann (BT-Drucksache 19/24181, S. 139). In diesem Fall ist der Schuldner ohnehin nach § 32 Abs. 4 verpflichtet, dem Gericht dies anzuzeigen.

33

Aus welchen „sonstigen Umständen“ das Gericht die fehlende Umsetzungsaussicht erfahren könnte, und ob insoweit eine Amtsermittlungspflicht gemäß § 39 Abs. 1 besteht, ist unklar. Der Wortlaut ist nicht eindeutig, lässt jedoch – insbesondere im Vergleich zu Abs. 1 Nr. 3 und zu Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 – mutmaßen, dass keine aktive Aufsicht des Gerichts erwartet wird.

34

Nicht zu verwechseln mit der Aufhebung wegen schwerwiegender Verletzung von Mitwirkungs- und Auskunftspflichten nach Abs. 1 Nr. 3 ist die Aufhebung wegen schwerwiegender Verletzung der Pflichten nach § 32, § 33 Abs. 2 Satz Nr. 3.

35

§ 32 regelt umfangreiche Verhaltens- und Mitteilungspflichten des Schuldners. Dadurch soll gewährleistet werden, dass das Restrukturierungsvorhaben mit der gebotenen Ernsthaftigkeit, Gewissenhaftigkeit und Transparenz betrieben wird (BT-Drucks. 19/24181, S. 140). Verstoße gegen diese Pflichten führen, aufgrund der Gefährdung der Gläubigerinteressen, zur Aufhebung der Restrukturierungssache.

36

Erforderlich ist eine schwerwiegende Pflichtverletzung, was dem Gericht einen gewissen Ermessenspielraum eröffnet. Schwerwiegend dürften dabei stets Verletzungen gegen Pflichten sein, bei deren Nichterfüllung das Gericht die Restrukturierungssache aufgehoben hätte. Zu erwähnen sind insbesondere die Mitteilungsplichten nach § 32 Abs. 3 (Eintritt der Insolvenzreife) und Abs. 4 (keine Umsetzungsaussichten), bei deren Verletzung der Ermessenspielraum gen Null tendieren wird.

37

Wie bereits unter Rn. 22 ausgeführt, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, dass eine proaktive Überwachung seitens des Restrukturierungsgericht nicht erfolgt. Nur in dem Fall, dass dem Gericht entsprechende Umstände bekannt werden, soll dieses etwaige Pflichtverletzungen untersuchen. Die Aufhebungsgründe des Abs. 1 Nr. 3 und des Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 unterscheiden sich somit grundlegend hinsichtlich der Amtsermittlung (siehe BT-Drucks. 19/24181, S. 139 f.).

38

Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 hebt das Gericht die Restrukturierungssache auf, wenn in einer früheren Restrukturierungssache der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung (§§ 49 ff.) oder eine Planbestätigung (§§ 60 ff.) erwirkt hat oder wenn eine Aufhebung aufgrund einer schwerwiegenden Pflichtverletzung erfolgt ist. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 steht der Inanspruchnahme von Restrukturierungsinstrumenten ein in Eigenverwaltung geführtes Insolvenzverfahren gleich.

39

Hierdurch sollen missbräuchliche Anwendungen der Restrukturierungsrahmen und damit einhergehende Eingriffe in die Rechte von Gläubigern und Anteilsinhabern vermieden werden (BT-Drucks. 19/24181, S. 140). Sollte die frühere Aufhebung aus einer Pflichtverletzung resultieren, könnte sonst der Schuldner die Sperrwirkung durch erneute Anzeige eines Restrukturierungsvorhabens umgehen. Durch die Sperrwirkung im Falle einer Stabilisierungsanordnung soll auch vermieden werden, dass die Höchstdauer von vier Monaten (§ 53) durch Rücknahme und Erneuerung der Anzeige verlängert wird.

40

Der Zugang zum Stabilisierung- und Restrukturierungsrahmen ist nach Satz 2 allerdings dann nicht gesperrt, wenn die frühere Restrukturierungssache infolge einer nachhaltigen Sanierung bewältigt wurde. Dieser Begriff der „nachhaltigen Bewältigung“ wird im Gesetz jedoch nicht näher definiert. In Satz 3 wird daher vermutet, dass eine nachhaltige Sanierung nicht erfolgt ist, wenn seit dem Ende des Anordnungszeitraums oder der Entscheidung über den Antrag auf Planbestätigung in der früheren Restrukturierungssache weniger als drei Jahre vergangen sind. Es handelt sich dabei um eine einfache Regelvermutung. Sollte bei einem Schuldner aufgrund eines nicht vorhersehbaren Ereignisses ein erneuter Restrukturierungsbedarf entstehen, so kann er nach Widerlegung der Vermutung dennoch Restrukturierungsinstrumente in Anspruch nehmen. Andererseits kann auch nach drei Jahren der Zugang zum StaRUG versperrt bleiben, wenn kein neuer, sondern ein fortgesetzter Restrukturierungsbedarf besteht (BT-Drucks. 19/24181, S. 140).

41

Um diese Kontrolle zu ermöglichen, sieht § 31 Abs. 2 Satz 4 vor, dass der Schuldner in der Anzeige früherer Restrukturierungssachen unter Angabe des befassten Gerichts und Aktenzeichens anzugeben hat (hierzu § 31 Rn. 25).

 

42

Nach § 33 Abs. 3 unterbleibt eine Aufhebung der Restrukturierungssache, solange das Gericht von der Aufhebung einer Stabilisierungsanordnung gemäß § 59 Abs. 3 absieht. Hierdurch soll im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger der geordnete Übergang in ein Insolvenzverfahren gewährleistet werden (BT-Drucks. 19/24181, S. 140). Das Gericht setzt dem Schuldner eine Frist von höchstens drei Wochen, innerhalb derer er dem Gericht die Beantragung eines Insolvenzverfahrens nachzuweisen hat. Nach Ablauf der Frist ist die Stabilisierungsanordnung aufzuheben.

43

Das Zusammenspiel zwischen Aufhebung der Restrukturierungssache und Aufhebung einer Stabilisierungsanordnung ist mehrschichtig:

  • Die Aufhebung einer Stabilisierungsanordnung führt nicht zur Aufhebung der Restrukturierungsache.
  • Die Aufhebung der Restrukturierungssache führt grundsätzlich zur Aufhebung einer Stabilisierungsanordnung, § 59 Abs. 1 Nr. 2.
  • Dies ist nicht der Fall, wenn das Gericht von einer Aufhebung der Stabilisierungsanordnung nach § 59 Abs. 3 absieht.
  • In diesem Fall unterbleibt ebenfalls die Restrukturierungssache, § 33 Abs. 3.
44

Die Aufhebung der Restrukturierungssache kann für den Schuldner einschneidende Wirkungen haben. Er verliert dadurch die Möglichkeit, die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch zu nehmen. Daher steht ihm als Rechtbehelf die sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO zu.

45

Für die Einzelheiten hinsichtlich der sofortigen Beschwerde wird auf § 40 verwiesen.