Das Verfahren über den Antrag eines Gläubigers, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zu eröffnen, wird für die Anordnungsdauer ausgesetzt.


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Für die Dauer der Stabilisierungsanordnung sind nicht nur Maßnahmen der Einzelzwangsvoll-streckung der betroffenen Gläubiger untersagt oder einstweilen eingestellt, sondern nach § 58 auch Verfahren, die auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Gesamtvollstreckungsverfahren gerichtet sind, ausgesetzt.

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Der Regelungsansatz der Vorschrift ist zwar nachvollziehbar. In der praktischen Handhabung erweist sie sich indes als unzulänglich (vgl. Frind, ZInsO 2020, 2241, 2246). Denn die Restrukturierung nach dem StaRUG verläuft in der Regel nicht-öffentlich (vgl. § 84). Insolvenzgericht und Restrukturierungsgericht müssen nicht identisch sein. Das Insolvenzgericht wird daher bei Stellung eines Drittantrags in der Regel keine Kenntnis von der Rechtshängigkeit einer Restrukturierungssache und einer etwaigen Stabilisierungsanordnung haben, die zur Aussetzung des Insolvenzantragsverfahrens nach § 58 führt.

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Der Schuldner wird von dem gegen ihn gerichteten Insolvenzantragsverfahren regelmäßig erst erfahren, wenn das Insolvenzgericht den Antrag für zulässig erachtet und ihm diesen zur Stellungnahme zustellt, § 14 Abs. 2 InsO. Dann wird er dem Insolvenzgericht die Stabilisierungsanordnung, aufgrund derer das Verfahren ex lege ausgesetzt ist, zur Kenntnis bringen. Im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 InsO wird das Insolvenzgericht die Akte des Restrukturierungsgerichts beiziehen (Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2683). Dem Restrukturierungsgericht hat der Schuldner den Drittantrag jedenfalls nach § 32 Abs. 2 S. 1 und, wenn sich hieraus das Vorliegen eines verpflichtenden Insolvenzantragsgrundes ergibt, auch nach § 32 Abs. 3 anzuzeigen. Das Restrukturierungsgericht wird dann seinerseits im Wege der Amtsermittlung nach § 39 Abs. 1 S. 1 die Insolvenzakte beiziehen.

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Das zumindest für eine gewisse Zeit bestehende Informationsdefizit des Insolvenz- und des Restrukturierungsgericht kann missliche Folgen zeitigen. So kann einerseits das Insolvenzgericht, sofern sich aus dem Gläubigerantrag eine besondere Notwendigkeit ergibt und der Schuldner sich zu dem Gläubigerantrag nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist äußert, bereits Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 InsO angeordnet haben. Andererseits können sich aus der Insolvenzakte Informationen ergeben, die für die Fortführung der Restrukturierungssache und für das Restrukturierungsgericht, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Aufhebung oder die Inanspruchnahme weiterer Instrumente durch den Schuldner, wesentlich sind (Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2683 (Fn. 51) schlägt eine Ergänzung der MiZi vor).

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Nach § 58 sind Insolvenzantragsverfahren, die aufgrund eines Gläubigerantrags eingeleitet werden, für die Anordnungsdauer ausgesetzt. Auch wenn die Vorschrift systematisch bei der Stabilisierungsanordnung verortet ist, erfasst sie nicht nur Insolvenzanträge von Gläubigern, die von dieser Anordnung betroffen sind, sondern von sämtlichen Gläubigern.

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Die Aussetzung erfolgt kraft Gesetzes für die Anordnungsdauer unter Berücksichtigung etwaiger Folge- und Neuanordnungen. Einer besonderen Anordnung des Insolvenzgerichts bedarf es zur Wirksamkeit der Aussetzung nicht. Die Aussetzung führt nicht zur Unwirksamkeit des Gläubi-gerantrages oder zur Beendigung des Insolvenzantragsverfahrens (Braun-StaRUG/Riggert, § 58 Rn. 2). Nach Ablauf der Anordnungsdauer oder nach Aufhebung der Stabilisierungsanordnung findet das Eröffnungsverfahren grundsätzlich automatisch seine Fortsetzung. Dies hat der Schuldner unbedingt zu Beachten damit nicht auf den zulässigen Gläubigerantrag das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Eine erfolgreiche Sanierung nach dem StaRUG ist dann, auch wenn sie die Antragsforderung nicht berücksichtigt, im Rahmen der Beurteilung des Vorliegens eines Insolvenzeröffnungsgrundes zu würdigen.

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Hat das Insolvenzgericht in Unkenntnis der Stabilisierungsanordnung bereits Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 InsO erlassen, ist eine Beschlussfassung über die Aussetzung oder die Aufhebung angezeigt. Zuvor sollte jedoch eine Abstimmung mit dem zuständigen Restrukturierungsgericht stattfinden, da sich aus der Insolvenzakte von Amts wegen zu prüfende, möglicherweise zwingende Anhaltspunkte für eine Aufhebung der Stabilisierungsanordnung nach § 59 Abs. 1 ergeben können. Denn der zulässige Gläubigerantrag setzt die Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes voraus, § 14 Abs. 1 InsO. Erlangt das Restrukturierungsgericht Kenntnis von der Insolvenzreife ist die Restrukturierungssache gemäß § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 von Amts wegen aufzuheben, sofern nicht eine der dort geregelten Ausnahmen vorliegt. Hieran knüpft die Aufhebung der Stabilisierungsanordnung gemäß §§ 59 Abs. 1 Nr. 2, 31 Abs. 4, 33 Abs. 2 Nr. 1 an. Mit der Aufhebung endete dann die Aussetzung nach § 58. De lege ferenda ist daher die Umsetzung des Vorschlages von Frind, ZInsO 2020, 2241, 2246, zu erwägen, der anregt, dass eine Aussetzung des Antragsverfahrens nach § 58 nur auf Grundlage einer (gesonderten) Stabilisierungsanordnung nach Prüfung durch das Restrukturierungsgericht – dann in Kenntnis des Drittantrags und der Insolvenzakte – erfolgen solle.

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Dem antragstellenden Gläubiger bleibt, sofern er von der Stabilisierungsanordnung betroffen ist, die Aufhebung der Anordnung gemäß § 59 Abs. 2 zu beantragen (Braun-StaRUG/Riggert, § 58 Rn. 4) oder andernfalls dem Gericht Umstände zur Kenntnis zu bringen, die eine amtswegige Aufhebung der Stabilisierungsanordnung rechtfertigen.