(1) Der Schuldner kann den Restrukturierungsplan im Rahmen einer Versammlung der Planbetroffenen zur Abstimmung stellen. Die Einberufung erfolgt schriftlich. Die Einberufungsfrist beträgt 14 Tage. Räumt der Schuldner die Möglichkeit einer elektronischen Teilnahme ein, beträgt die Frist sieben Tage. Der Einberufung ist der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen beizufügen.
(2) Das Planangebot kann vorsehen, dass Planbetroffene auch ohne Anwesenheit an dem Versammlungsort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können (elektronische Teilnahme).
(3) Den Vorsitz der Versammlung führt der Schuldner. Er hat jedem Planbetroffenen auf Verlangen Auskunft über den Restrukturierungsplan und die für die sachgemäße Beurteilung des Plans relevanten Verhältnisse sowie im Fall des § 2 Absatz 4 Satz 1 jeder betroffenen Tochtergesellschaft zu erteilen. Planbetroffene haben das Recht, Vorschläge zur Abänderung des Plans zu unterbreiten. Die Vorschläge sind dem Schuldner mindestens einen Tag vor dem Beginn der Versammlung in Textform zugänglich zu machen.
(4) In der Versammlung kann auch dann über den Plan abgestimmt werden, wenn dieser aufgrund der Erörterungen in der Versammlung inhaltlich in einzelnen Punkten abgeändert wird.
(5) Jede Gruppe der Planbetroffenen stimmt gesondert ab. Im Übrigen legt der Schuldner die Modalitäten der Abstimmung fest. Üben Planbetroffene ihr Stimmrecht elektronisch aus, ist diesen der Zugang der elektronisch abgegebenen Stimme elektronisch zu bestätigen. Die Stimmabgabe ist auch ohne Teilnahme an der Versammlung bis zum Ende der Abstimmung möglich.
Übersicht
Anders als im Insolvenzplanverfahren, bei dem das Gericht einen Termin zur Erörterung und Abstimmung bestimmt (§ 234 InsO), steht es dem Schuldner hier frei die Abstimmung im Wege einer Planbetroffenenversammlung zu erwirken. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn der Schuldner den Betroffenen noch keine Chance zur Erörterung des Plans gegeben hat, weshalb die Möglichkeit besteht, das Planbetroffene ohnehin eine Versammlung nach § 21 verlangen. Die Verbindung von Erörterung und Abstimmung in einer gemeinsamen Versammlung dient zudem der Verfahrensbeschleunigung, weshalb sie seit dem ESUG auch im Insolvenzplanverfahren Einklang gefunden hat (Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 235 Rn. 2).
Im Gegensatz zum Insolvenzplanverfahren handelt es sich sowohl bei der Abstimmungs- als auch der Erörterungsversammlung nicht um Gläubigerversammlungen, zu denen sämtliche Gläubiger geladen werden, sondern nur solche, die vom Restrukturierungsverfahren betroffen sind. Um im Vorfeld möglichen formalen Fehlern entgegenwirken zu können, kann auf Antrag eine gerichtliche Vorprüfung nach § 47 durchgeführt werden.
Die Einberufung hat in Schriftform zu erfolgen, von der – anders als in § 17 Abs. 4 – keine abweichende Vereinbarung zulässig ist. Die Schriftform kann aber nach § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form nach § 126a BGB ersetzt werden. Danach ist die Form mit qualifizierter elektronischer Signatur gewahrt. Eine einfache E-Mail genügt hingegen nicht.
Der Termin ist nicht öffentlich bekannt zu geben (Abgr. zu § 235 Abs. 2 S. 1 InsO). Die Frist beträgt wie bei der versammlungslosen Abstimmung ebenfalls mindestens 14 Tage, um einer Überrumpelung entgegenzuwirken. Zusätzlich soll die Frist dafür Sorge tragen, dass die Betroffenen eine eventuelle Anreise organisieren können (Begr. RegE, BT-Drs. 19/24181, S. 142 zu § 22 Abs. 1). Aus diesem Grund kann bei einer elektronischen Teilnahme an der Versammlung die Frist kürzer ausfallen, § 20 Abs. 1 S. 4. Auch setzt die verkürzte Frist voraus, dass der Planbetroffene vorab - mindestens 14 Tage vor dem Termin – das Restrukturierungskonzept erhalten hat. Zum Inhalt des Restrukturierungskonzeptes vgl. Ausführungen zu § 19. Die Frist beginnt mit dem Zugang der Ladung. Problematisch kann der Beweis des Zuganges sein. Für den Fall, dass mit einem Versuch der Zugangsvereitelung gerechnet werden muss, empfiehlt sich die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher nach § 132 BGB.
Die Möglichkeit der elektronischen Teilnahme soll die Teilnahmebereitschaft stärken. Weiterhin möglich muss die Teilnahme in Präsenz bleiben; eine Beschränkung ausschließlich auf elektronische Kommunikationswege ist nicht zulässig (Begr. RegE, BT-Drs. 19/24181, S. 143 zu § 22 Abs. 2).
Der Schuldner hat die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Er trägt zudem die Beweislast, sollte ein Planbetroffener behaupten, aufgrund technischer Übertragungsschwierigkeiten nicht vollständig an der Versammlung teilnehmen gekonnt zu haben, § 63 Abs. 3 S. 1.
Die Versammlung sollte in ihrem Ablauf sich an dem der Erörterungs- und Abstimmungsversammlung nach § 235 InsO orientieren. Danach ist der Termin in drei Teile zu untergliedern: Formalia, Erörterung und Abstimmung (Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 235 Rn. 26). Auch in Restrukturierungsverfahren können Erörterung und Abstimmung in zwei getrennten Versammlungen erfolgen, es wird jedoch regelmäßig in der Abstimmungsversammlung eine Erörterung des Plans und der Änderungsvorschläge stattfinden.
Vorab ist die ordnungsgemäße Ladung durch die Versammlungsleitung (den Schuldner) und die Anwesenheit der Erschienen festzustellen. Inwieweit der Schuldner die Vertretungsbefugnisse der Beteiligten zu überprüfen und festzustellen hat, ist nicht ausdrücklich geregelt. Während im Erörterungs- und Abstimmungstermin nach § 235 InsO die Vollmacht zur Akte zu reichen ist (§ 80 ZPO), kann der Schuldner sich bei außergerichtlicher Abstimmung die entsprechenden Nachweise vorlegen lassen, sollten Zweifel an der Vertretungsbefugnis bestehen.
Im Erörterungsteil hat der Schuldner auf sämtliche Änderungen des Plans einzugehen (zu Planänderungen vgl. Rn. 12 ff.).
Erst im Anschluss erfolgt der eigentliche Abstimmungsteil. Wie die Stimme abzugeben ist, legt der Schuldner fest (vgl. Rn. 17 ff.).
Insgesamt hat die Versammlung ebenso wie der Erörterungs- und Abstimmungstermin so stattzufinden, dass eine geordnete Willensbildung und Abstimmung der Gläubiger möglich ist (Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 235 Rn. 28). Hierzu hat der BGH wesentliche Grundsätze aufgestellt (BGH NZI 2010, S. 734). Danach sind Fragen der Gläubiger hinreichend zu beantworten. Scheint die erforderliche Mehrheit als gesichert, so ist eine längere Erörterung nicht zwingend erforderlich (Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 235 Rn. 28).
Planbetroffene erhalten die Möglichkeit Änderungsvorschläge zum Restrukturierungsplan einzureichen. Der Schuldner kann diese Änderungen in den Restrukturierungsplan aufnehmen und über den geänderten Restrukturierungsplan im Rahmen der Versammlung abstimmen lassen. Diese Vorschrift entspricht den Regelungen des § 240 InsO. Unter dem Gesichtspunkt der Effektivität und Beschleunigung des Verfahrens soll dem Schuldner die Möglichkeit geboten werden, ein sich abzeichnendes Scheitern des Plans durch leicht vorzunehmende Modifikationen abzuwenden (HmbKommInsR/Thies, § 240 Rn. 1).
Anders als im Insolvenzplanverfahren sollen die Änderungen dem Schuldner mindestens einen Tag vor dem Beginn der Versammlung zugänglich gemacht werden. Dem Schuldner steht es frei die Vorschläge in den Restrukturierungsplan direkt aufzunehmen. Die Änderungen sind einzeln auf der Versammlung zu erörtern (vgl. Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 240 Rn. 3; Begr. RegE, BT-Drs. 19/24181, S. 143 zu § 22 Abs. 3).
Verspätete oder erst in der Versammlung unterbreitete Änderungsvorschläge kann der Schuldner ebenfalls zur Diskussion stellen, muss dies aber nicht (Begr. RegE, BT-Drs. 19/24181, S. 143 zu § 22 Abs. 3). Zwar führt dies nicht zu einem formalen Fehler, ob dies die Akzeptanz und damit die notwendige Mehrheit des Restrukturierungsplans gefährdet ist, dennoch zu bedenken.
Letztendlich steht nur ein Plan zur Abstimmung. Einer Abstimmung über konkurrierende Pläne, wie es im Insolvenzplanverfahren vorkommen kann, ist im Restrukturierungsverfahren ausgeschlossen (vgl. Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 218 Rn. 17 ff.; Begr. RegE, BT-Drs. 19/24181, S. 143 zu § 22 Abs. 3).
Der Schuldner kann in der Abstimmungsversammlung nur insoweit über einen geänderten Plan abstimmen lassen, soweit sich die Änderungen auf einzelne Punkte beschränken. Gehen die Änderungen darüber hinaus, ist ein neues Planangebot nach den §§ 17 ff zu unterbreiten oder eine neue Abstimmungsversammlung nach § 21 Abs. 1 anzusetzen (Begr. RegE, BT-Drs. 19/24181, S. 143 zu § 22 Abs. 4). Der Umfang der Änderungen darf den Kern des Plans nicht berühren (Beschlussempfehlung BT-Drs. 12/7302, 183 zu § 284; HmbKommInsR/Thies, § 240 Rn. 4). Die Planbetroffenen müssen die Änderungen nachvollziehen und umfänglich prüfen können (Umfassende Ausführungen mit entsprechenden Verweisen auf Rspr. hierzu von HmbKommInsR/Thies, § 240).
Der Schuldner kann im Wege der Abstimmungsversammlung von dem Schriftformerfordernis für die Planannahme abweichen und beispielsweise eine Abstimmung im Wege eines Handzeichens festlegen (Begr. RegE, BT-Drs. 19/24181, S. 143 zu § 22 Abs. 5). Abgestimmt wird getrennt nach Gruppen. Hat ein Gläubiger Forderungen, die verschiedenen Gruppen zugeordnet wurden, so ist er mehrfach zur Abstimmung aufgerufen.
Planbetroffene, die an der Versammlung elektronisch teilnehmen, können entsprechend ihre Stimme auch elektronisch abgeben. Der Zugang der Stimme ist ihnen elektronisch zu bestätigen, um sicher zu gehen, dass alle abgegebenen Stimmen auch berücksichtigt werden.
Auch ohne Teilnahme an der Versammlung können Planbetroffene über den Plan abstimmen. Im Gegensatz zur Abstimmung nach § 242 InsO kann vorliegend die Stimme bis zum Ende der Versammlung abgegeben werden. In welcher Form dies zu erfolgen hat, legt der Schuldner fest. Die Stimmabgabe muss bedingungslos und eindeutig sein (HmbKommInsR/Thies, § 242 Rn. 3).
Eine Belehrung über die Folgen einer verspäteten oder bedingten Stimmabgabe erfolgt, anderes als in § 242 Abs.2 InsO, nicht.
Hinsichtlich eines Widerrufs der Stimmabgabe kann auf die Regelung des § 242 InsO zurückgegriffen werden. Danach ist ein Widerruf grundsätzlich möglich (HmbKommInsR/Thies, § 242 Rn. 3). Fraglich ist indes, bis zu welchem Zeitpunkt der Widerruf möglich ist. In Anlehnung an § 130 Abs. 1 S. 2 BGB muss der Widerruf innerhalb des Abstimmungszeitraums, also bis Ende der Versammlung (§ 20 Abs. 5 S. 4), erfolgen.
Die Nichtberücksichtigung fristgerecht eingegangener Stimmen stellt einen Verfahrensverstoß dar und kann u.U. zur Ablehnung der gerichtliche Planbestätigung nach § 63 führen.