Örtlich zuständig ist ausschließlich das Restrukturierungsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Liegt der Mittelpunkt einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Restrukturierungsgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt.


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Die örtliche Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts entspricht § 3 InsO (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 141). Dabei wird in § 3 Abs. 2 InsO geregelt, dass für die Fälle, in denen der Schuldner in den letzten sechs Monaten vor der Antragstellung Instrumente gemäß § 29 in Anspruch genommen hat, auch das Gericht örtlich zuständig ist, das als Restrukturierungsgericht für die Maßnahmen zuständig war. Hierdurch soll eine effiziente und erleichterte Verfahrensbearbeitung sowie Kontinuität bei den Gerichten gefördert, mithin Synergieverluste und Ineffizienzen vermieden werden (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 191). Dem Schuldner wird somit ein Wahlrecht eingeräumt und im Insolvenzrecht ein zusätzlicher Gerichtsstand begründet, Wahlgerichtsstand (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 191).

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Örtlich zuständig ist das Restrukturierungsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 35 S. 1). Bei einem hiervon abweichenden Mittelpunkt einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, ist das Restrukturierungsgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt (§ 35 S. 2). Beide Sätze beinhalten ausschließliche Gerichtsstände.

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Nach § 35 S. 2 bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit vorrangig nach dem Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners. Hierbei sind für die Bestimmung des wirtschaftlichen Mittelpunktes die tatsächlichen Gegebenheiten entscheidend, ein bloßer Rechtsschein genügt nicht (AG Göttinge, ZIP 2007, S. 1281; HK-InsO/Sternal, § 3 Rn. 6; MüKo-InsO/Ganter/Bruns, § 3 Rn. 6).

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Das Gericht hat die örtliche Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen. Hiernach hat das Gericht vor seiner Entscheidung etwaige Hinweise für seine örtliche Unzuständigkeit zu würdigen; mithin den Sachverhalt weiter aufzuklären (Vallender, ZInsO 2020, S. 2579 2581; vgl. BGH ZInsO 2006, S. 146). Sollte das angerufene Reststrukturierungsgericht örtlich unzuständig sein, hat es auf Antrag gemäß § 38 S. 1 iVm § 281 ZPO die Restrukturierungssache an das zuständige Gericht zu verweisen.

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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit ist der Eingang der Anzeige bei dem Restrukturierungsgericht (Vallender, ZInsO 2020, S. 2579, 2581, vgl. KG, NZI 2009, S. 727). 

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§ 35 folgt dem insolvenzverfahrensrechtlichen Vorbild in § 3 InsO (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 191). Liegt der Mittelpunkt einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Restrukturierungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Ort liegt.

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In § 35 S. 2 fehlt – im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 S. 2 InsO – das Wort "selbstständig". Die Gesetzesbegründung enthält hierzu keine Erklärung. Nach § 30 Abs. 1 S. 1 kann jeder insolvenzfähige Schuldner die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens beanspruchen. Dies betrifft im Grundsatz alle natürlichen und juristischen Personen (§ 11 Abs. 1 S. 1 InsO), nicht rechtsfähige Vereine (§ 11 Abs. 1 S. 2 InsO) und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO) (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 133). Nach § 30 Abs. 1 S. 2 sind natürliche Personen entsprechend der Vorgabe des Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe h der Richtlinie jedoch nur restrukturierungsfähig, soweit sie unternehmerisch tätig sind (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 133). Die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen sind bei natürlichen Personen somit nur auf die unternehmerische Tätigkeit anzuwenden („soweit“). Folglich können die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens für „Verbraucherinsolvenzverfahren“ schon nicht in Anspruch genommen werden (Braun-StaRUG/Haffa/Schuster, § 30 Rn. 5).

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Der wirtschaftliche Mittelpunkt des Schuldners liegt dort, wo die Willensbildung tatsächlich stattfindet, die Entscheidungen der Unternehmensleitung getroffen und nach außen erkennbar umgesetzt werden (OLG Brandenburg, ZInsO 2002, S. 767 = NZI 2002, S. 438; MüKo-InsO/Ganter/Bruns, § 3 Rn. 10; Uhlenbruck/Pape, § 3 Rn. 4a). Regelmäßig ist das die Firmenzentrale (Verwaltungssitz). Indizien sind etwa die inländische Geschäftsanschrift, die Handelsregistereintragung, die Zuständigkeit des Finanzamtes sowie gewerberechtliche Anmeldungen (LG Dessau, ZIP 1998, 1006; AG Göttingen, ZIP 2001, S. 387; MüKo-InsO/Ganter/Bruns, § 3 Rn. 13; Uhlenbruck/Pape, § 3 Rn. 4).

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Sind die Voraussetzungen des § 35 S. 2 nicht erfüllt, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners, § 38 S. 1 iVm §§ 12 ff. ZPO.

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Für natürlichen Personen bestimmt sich der allgemeine Gerichtsstand nach §§ 13-19 ZPO iVm §§ 7-11 BGB. Vor dem Hintergrund, dass die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nur für natürliche Personen gelten, soweit sie i.S.d. § 30 S. 2 unternehmerisch tätig sind, dürfte § 35 S. 1 nur sehr eingeschränkte praktische Relevanz erlangen (Braun-StaRUG/Baumert, § 35 Rn. 7).

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Der allgemeine Gerichtsstand juristischer Personen, nichtrechtsfähiger Vereine und insolvenzfähiger Personenvereinigungen bestimmt sich nach ihrem Sitz, § 17 ZPO. Nur die Verlagerung der Geschäftsleitung lässt ihn nicht entfallen und auch eine Sitzverlegung führt erst nach Satzungsänderung und Eintragung ins Handelsregister zu einer Änderung, vgl. zB § 54 Abs. 3 GmbHG, § 45 Abs. 2 S. 5, Abs. 4 S. 3 AktG (Andres/Leithaus/Andres, § 3 Rn. 9). Er bleibt auch dann maßgeblich, wenn die Vereinigung ihre Tätigkeit eingestellt hat, sogar wenn der Verwaltungssitz danach verlegt wird (HK-InsO/Sternal, § 3 Rn. 17). Allerdings dürfte in derartigen Konstellationen bereits die Restrukturierungsfähigkeit zu bezweifeln sein.

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Die Regelung des § 35 ist ebenso wie § 3 InsO manipulationsanfällig (Stellungnahme BAKinso vom 18.9.2020 zum RefE SanInsFoG, A.3). Danach besteht auch im Restrukturierungsverfahren die Gefahr, dass die Gerichtszuständigkeiten im Inland ausgenutzt werden, sog. „forum shopping“ (Frind, ZInsO 2020, S. 2241, 2244; Vallender, ZInsO 2020, S. 2579, 2581. Insoweit wurde vorgeschlagen, eine „Suspektperiode“ entsprechend den Regelungen in der EuInsVO für Sitzverlegungen zu implementieren; eine entsprechende Kodifzierung ist jedoch nicht erfolgt (Frind, ZInsO 2020, S. 2241, 2244; Braun-StaRUG/Baumert, § 35 Rn. 10).

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Das Gericht prüft die örtliche Zuständigkeit gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 von Amts wegen. Ein örtlich unzuständiges Restrukturierungsgericht hat auf Antrag gemäß § 38 iVm § 281 ZPO durch Beschluss die Restrukturierungssache an das zuständige Gericht zu verweisen. Zuvor muss das Gericht die zur Begründung eines anderen Gerichts vorgetragenen Umstände würdigen und ggf. von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären (Vallender, ZInsO 2020, S. 2579, 2581).