§ 71Vollstreckung aus dem Restrukturierungsplan

(1) Aus dem rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplan können die Restrukturierungsgläubiger, deren Forderungen im Bestätigungsbeschluss nicht als bestritten ausgewiesen sind, wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. § 202 der Insolvenzordnung gilt entsprechend.

(2) Absatz 1 gilt auch für die Zwangsvollstreckung gegen einen Dritten, der durch eine dem Restrukturierungsgericht eingereichte schriftliche Erklärung für die Erfüllung des Plans neben dem Schuldner ohne Vorbehalt der Einrede der Vorausklage Verpflichtungen übernommen hat.

(3) Macht ein Gläubiger die Rechte geltend, die ihm im Fall eines erheblichen Rückstands des Schuldners mit der Erfüllung des Plans zustehen, so hat er zur Erteilung der Vollstreckungsklausel für diese Rechte und zur Durchführung der Vollstreckung die Mahnung und den Ablauf der Nachfrist glaubhaft zu machen, jedoch keinen weiteren Beweis für den Rückstand des Schuldners zu führen.

(4) Bestand für die einer Planregelung unterliegende Forderung bereits ein vollstreckbarer Titel, tritt der rechtskräftig bestätigte Restrukturierungsplan an dessen Stelle; die weitere Vollstreckung aus dem früheren Titel ist insoweit unzulässig.


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Die Vorschrift hat sich weitestgehend an der entsprechenden Vorschrift zum Insolvenzplan gemäß § 257 InsO orientiert. Auch bei Auslegung dieser Norm im neu geschaffenen Restrukturierungsverfahren wird man daher auf die zur insolvenzrechtlichen Vorschrift schon erarbeiteten und veröffentlichen Auswertungen zurückgreifen können. Die Regelung ermöglicht den planbetroffenen Gläubigern die Durchsetzung ihrer nach dem Plan zustehenden Rechte im Wege der Zwangsvollstreckung. Wenn der Schuldner selbst eine Forderung in den Restrukturierungsplan aufnimmt und Einigkeit über die Höhe der aufgenommenen Forderung besteht, erscheint es nach der Auffassung des Gesetzgebers auch gerechtfertigt, dem Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftig bestätigten Plan zu ermöglichen (Begründung Regierungsentwurf, BR-Drs. 619/20, S. 194). Zusätzlich zu den in den Abs. 1 bis 3 geregelten Voraussetzungen für die Vollstreckungen der Plangläubiger enthält diese Norm in Abs. 4 auch eine Vollstreckungsschutzvorschrift für den Schuldner. Da für das Restrukturierungsverfahren in Abweichung zur Insolvenzordnung (§ 89 InsO) kein generelles Einzelzwangsvollstreckungsverbot gilt, schränkt Abs. 4 die Vollstreckung von in den Plan einbezogenen Forderungen aus Alttiteln ein (Begründung Regierungsentwurf, BR-Drs. 619/20, S.​​​​​​​ 192).

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Der rechtskräftige und gerichtlich bestätigte Restrukturierungsplan ist ein für den planbetroffenen Gläubiger vollstreckbarer Titel. Der Gesetzgeber stellt in Bezug auf die Vollstreckbarkeit auf die Rechtskraft des Planes ab. Die Wirksamkeit des Planes tritt bereits mit Verkündung des Bestätigungsbeschlusses ein (§ 67 Abs. 1). Vollstreckbar wird der Plan aber erst mit Ablauf der Rechtsmittelfrist von zwei Wochen für die sofortige Beschwerde (§ 66) oder nach Entscheidung des Beschwerdegerichtes, wenn ein Rechtsmittel eingelegt wurde.

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Für die vollstreckbare Urkunde bedarf es den Restrukturierungsplan zusammen mit dem rechtskräftigen Bestätigungsbeschluss und einen Rechtskraftvermerk samt Vollstreckungsklausel. Im Insolvenzplanverfahren setzt die Vollstreckung einen vollstreckbaren Insolvenztabellenauszug voraus, welcher die Forderung des vollstreckenden Gläubigers ausweist (Braun-InsO/Braun/Frank, § 257 Rn. 4). Das Restrukturierungsverfahren enthält kein dem Insolvenzverfahren vergleichbaren Prozess zur Anmeldung und Feststellung der Gläubigerforderungen. Für die Vollstreckbarkeit der Planforderungen ist es daher um so wichtiger, dass der gestaltende Teil des Restrukturierungsplanes die Inhaber und die Höhe der planbetroffenen Forderungen exakt bezeichnet auf die sich dann auch die Wirkung des gerichtlichen Bestätigungsbeschlusses bezieht.

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Der Vollstreckung aus dem Plan unterfallen nur unbestrittene Forderungen. Will der Schuldner die Titulierungswirkung von bestrittenen Forderungen verhindern, die er nur aufgrund der Gestaltungswirkung gemäß § 70 Abs. 1 in der gegebenenfalls streitigen Höhe mit in den Plan aufgenommen hat, muss er den Status der Forderung als bestritten in dem Planbestätigungsverfahren geltend machen und so darauf hinwirken, dass dieser Status auch im Bestätigungsbeschluss mit enthalten ist (Begründung Regierungsentwurf, BR-Drs. 619/20, S. 192).

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Über den in der Vorschrift enthaltenen Verweis auf § 202 InsO ist das Amtsgericht für die Zwangsvollstreckung zuständig, bei dem die Restrukturierungssache anhängig war. Betrifft der Streitgegenstand nicht die Zuständigkeit des Amtsgerichtes ist das Landgericht ausschließlich zuständig, zu dessen Bezirk das Restrukturierungsgericht gehört (§ 202 Absatz 2 InsO).

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Der planbetroffene Gläubiger kann aus dem Plan auch gegen Dritte vollstrecken soweit diese sich durch eine schriftliche Erklärung zur Übernahme der Planerfüllung neben dem Schuldner unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage verpflichtet haben. Die Verpflichtungserklärung des Dritten als sogenannter Plangarant muss sich auf die Auszahlung der Planquote beziehen, um gemäß Abs. 2 eine Vollstreckung aus dem Plan zu ermöglichen. Das ergibt sich aus der Bezugnahme im Wortlaut des Abs. 2 auf die Regelung in Abs. 1, dessen Voraussetzungen für die Vollstreckung gegen den Dritten ebenfalls vorliegen müssen (MüKo-InsO/Huber/Madaus, § 257 Rn.45). Soweit der Dritte noch über die Haftung für die Planquote hinausgehende Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern eingegangen ist (§ 15 Abs. 3), sind diese nicht nach Abs. 2 vollstreckbar (K.Schmidt/Spliedt, § 257 Rn.16).

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Die Verpflichtungserklärung kann rechtlich als Bürgschaft oder als gesamtschuldnerische Haftung durch Schuldbeitritt eingeordnet werden. Denkbar sind auch Garantieerklärungen. Für die Vollstreckbarkeit ist allerdings entscheidend, dass der Dritte die Einstandspflicht ohne den Vorbehalt der Einrede der Vorausklage erklärt. Bei einer Erklärung ohne ausdrücklichen Vorbehalt kann sich der verpflichtete Dritte nicht auf die Einrede der Vorausklage gemäß § 771 BGB berufen (Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 257 Rn. 22), so dass eine Vollstreckbarkeit anzunehmen ist. Eine als Ausfallbürgschaft ausgestaltete Erklärung unterfällt nicht der Vollstreckung nach Abs. 2 (Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 257 Rn. 22).

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Die Erklärung hat gegenüber dem Restrukturierungsgericht in Schriftform Form (§ 126 BGB) zu erfolgen. Die Erklärung kann bereits als Anlage dem Restrukturierungplan gemäß § 15 beigefügt werden aber auch zu einem späteren Zeitpunkt noch in der vorgegebenen Form abgegeben werden (MüKo-InsO/Huber/Madaus, § 257 Rn. 49). Kommt es zu einem gerichtlichen Abstimmungstermin (§ 45) kann die Erklärung auch mündlich zu Protokoll im gerichtlichen Abstimmungs- und Erörterungstermin abgegeben werden, um die für die Vollstreckbarkeit geforderte Form zu wahren. Die gerichtliche Protokollierung ist geeignet, die Warn- und Beweisfunktion der Schriftform zu erfüllen (K.Schmidt/Spliedt, § 257 Rn.16; MüKo-InsO/Huber/Madaus, § 257 Rn. 49; a. A.: BeckOK-InsO/Freund, § 257 Rn. 9; Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 257 Rn. 23).

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Für die Durchführung der Vollstreckung gegen den Dritten sind als Urkunden der Restrukturierungsplan, der gerichtliche Bestätigungsbeschluss und die Verpflichtungserklärung des Dritten zusammen zu führen. Die Vollstreckungsklausel ist dabei auf die Verpflichtungserklärung des Dritten zu setzen, da sich aus dieser der zu vollstreckende Anspruch ergibt (MüKo-InsO/Huber/Madaus, § 257 Rn. 54).

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Als Rechtsmittel gegen die Vollstreckung steht dem Dritten ausschließlich die Klauselabwehrklage gemäß § 768 ZPO zur Verfügung, nicht die Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO, da der Dritte sich nicht gegen die Inanspruchnahme des Schuldners, sondern gegen die Wahl des Vollstreckungsadressaten wehrt (K. Schmidt/Spliedt, § 257 Rn. 16).

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Eine Vollstreckung aus dem Restrukturierungsplan kann sich im Falle des Rückstandes mit der Planerfüllung und dem Wiederaufleben der Forderung auch auf die gesamte Forderung des planbetroffenen Gläubigers beziehen. Voraussetzung für die Vollstreckung ist, dass sich der Schuldner mit der Planerfüllung gemäß § 69 Abs. 1 in erheblichem Rückstand befindet. Der betroffene Gläubiger hat für die Erteilung der Vollstreckungsklausel nur die Mahnung und den Ablauf der Nachfrist glaubhaft zu machen, nicht den Rückstand des Schuldners oder dessen Erheblichkeit (Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 257 Rn. 27). Der Umfang der Darlegungslast richtet sich dabei nach § 294 ZPO. Durch Schilderung von Umständen und Vorlage von Dokumenten gegebenenfalls auch einer Bestätigung durch eidesstattliche Versicherung muss sich für das Gericht zumindest eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen der behaupteten Tatsache ergeben (Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 294 Rn. 3). Zur Erlangung der Vollstreckungsklausel gemäß Abs. 3 bietet sich an, eine Abschrift des Mahnschreibens mit Zugangsnachweis einzureichen und diese noch mit einer eidesstattlichen Versicherung zu bestätigen (MüKo-InsO/Huber/Madaus, § 157 Rn. 62).

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Die Regelung in Abs. 3 kann dazu führen, dass ursprünglich nicht titulierte Forderung durch Aufnahme als Restrukturierungsforderungen in den Restrukturierungsplan bei erheblichem Rückstand mit der Planerfüllung in voller Höhe tituliert und vollstreckbar werden. Anders als im Insolvenzverfahren, können die nicht mit in den Plan einbezogenen Forderungen dagegen nur außerhalb des Restrukturierungsplanes im Wege des Mahn- oder Klageverfahrens zur Erlangung eines Vollstreckungstitels verfolgt werden. Scheitert die Durchführung des Restrukturierungsplanes, weil der Schuldner mit der Planerfüllung in erheblichen Rückstand gerät, erhalten die planbetroffenen Gläubiger über die Vollstreckungsmöglichkeit des Abs. 3 zunächst einen deutlichen Zeitvorsprung in Bezug auf die Forderungsdurchsetzung. Allerdings wird wohl ein erheblicher Rückstand in der Planerfüllung auch häufig die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach sich ziehen, so dass eine etwaige schnellere Befriedigung von Gläubigern über das Insolvenzanfechtungsrecht wieder ausgeglichen wird.

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Nach der Regelung in Abs. 4 ersetzt der rechtskräftig bestätigte Restrukturierungsplan etwaig zuvor bestehende Titel für planbetroffene Restrukturierungsforderungen. Diese Regelung ist dem Umstand geschuldet, dass das Restrukturierungsverfahren kein generelles der insolvenzrechtlichen Regelung in § 89 InsO vergleichbares Einzelzwangsvollstreckungsverbot enthält. Zwar kann der Schuldner gemäß § 49 eine Vollstreckungssperre als Stabilisierungsanordnung erwirken, aber diese erfolgt nur auf Antrag des Schuldners unter den in § 49 genannten Voraussetzungen. Ein Automatismus für eine generelle Unterbrechung der Vollstreckung ist im Restrukturierungsverfahren nicht angelegt. Um die Durchführung des Planes nicht durch Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen von planbetroffenen Gläubigern zu gefährden, hat der Gesetzgeber daher die Vollstreckung aus früheren Titeln für unzulässig erklärt (Begründung Regierungsentwurf, BR-Drs. 619/20, 194). Allerdings gilt die Vollstreckungssperre nur für Forderungen, die als planbetroffene Forderungen gemäß § 8 in den Restrukturierungsplan einbezogen wurden und deren Titel vor der Planbestätigung erwirkt wurden. Aus titulierten Forderungen, welche keinen Einzug in den Plan gefunden haben, können die Gläubiger auch nach rechtskräftiger Planbestätigung noch vollstrecken. Ferner betrifft die Unzulässigkeit der Vollstreckung auch nur die Forderungshöhe, die im Restrukturierungsplan zu Grunde gelegt wurde. Ist auch der im Plan nicht berücksichtigte Forderungsanteil tituliert, bleibt die Vollstreckung dieses überschießenden Teils weiterhin zulässig.