Kommentierung zu § 43

Übersicht

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Der Regierungsentwurf zum StaRUG sah in den §§ 1 bis 3 ein Krisenfrüherkennungssystem vor. Die Geschäftsleiter von haftungsbeschränkten Unternehmensträgern sollten nach § 2 Abs. 1 StaRUG-RegE ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahren. Die Interessen der Anteilsinhaber des Schuldners sollten dahinter zurücktreten, § 2 Abs. 2 StaRUG-RegE. Dieser als shift of fiduciary duties bezeichnete Wechsel der von den Geschäftsleiter zu wahrenden Interessen sollte nach dem StaRUG-RegE unabhängig von der Anzeige der Restrukturierungssache eintreten. Bei einer schuldhaften Verletzung ihrer Pflichten aus § 2 Abs. 1 StaRUG-RegE, sollten die Geschäftsleiter für den daraus entstandenen Schaden dem Schuldner nach § 3 Abs. 1 StaRUG-RegE und den Gläubigern nach § 45 StaRUG-RegE haften. Der Gesetzgeber hat auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages die Regelungen des Krisenfrüherkennungssystems in §§ 2, 3 StaRUG-RegE und die in § 45 StaRUG-RegE geregelte Schadensersatzpflicht in die endgültige Fassung des StaRUG nicht übernommen (zur Begründung: BT-Drs. 19/25353, S. 6). Stattdessen hat der Gesetzgeber die Pflichten der Geschäftsleiter und deren Haftung in § 43 Abs. 1 geregelt. § 43 Abs. 1 stellt die zentrale Norm des StaRUG für die Haftung der Geschäftsleiter dar.

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Nach Abs. 1 S. 1 haben die Geschäftsleiter von haftungsbeschränkten Unternehmensträgern darauf hinzuwirken, dass der Schuldner die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrt. Verletzen die Geschäftsleiter diese Pflicht, haften sie dem Schuldner in Höhe des den Gläubigern entstandenen Schadens gemäß Abs. 1 S. 2. Das Verschulden der Geschäftsleiter wird vermutet. Sie können sich nach Abs. 1 S. 2 exkulpieren. Der Gesetzgeber hat den Schadensersatzanspruch, anders als es in § 45 StaRUG-RegE vorgesehen war, als reine Binnenhaftung ausgestaltet. Anspruchsinhaber ist der Schuldner. Eine Außenhaftung der Geschäftsleiter gegenüber Gläubigern ist nur in § 57 vorgesehen und kann sich darüber hinaus u. a. aus § 823 Abs. 2 BGB ergeben, sofern die Geschäftsleiter eine Pflicht aus dem StaRUG verletzen und sich die verletzte Pflicht aus einer Norm ergibt, bei der es sich um ein Schutzgesetz handelt. Nach Abs. 2 ist ein Verzicht oder Vergleich über den Schadensersatzanspruch aus Abs. 1 S. 2 ausgeschlossen, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist und keiner der Ausnahmefälle von Abs. 2 S. 2 vorliegt. Abs. 3 regelt eine fünfjährige Verjährungsfrist für den Schadensersatzanspruch, die sich auf zehn Jahre verlängert, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert ist. 

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In zeitlicher Hinsicht gilt § 43 Abs. 1 ab Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache, also gemäß § 31 Abs. 3 ab dem Eingang der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht (vgl. Braun-StaRUG/Weber/Dömmecke, § 43 Rn. 4). § 43 Abs. 1 stellt für die Pflichten der Geschäftsleiter auf das Betreiben der Restrukturierungssache ab, was voraussetzt, dass die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache bereits eingetreten sein muss (Scholz, ZIP 2021, S. 219, 223).    

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Die Pflichten und die Haftung aus § 43 Abs. 1 gelten für Geschäftsleiter von juristischen Personen. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 sind Geschäftsleiter i. S. d. StaRUG die Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs einer juristischen Person. Der persönliche Anwendungsbereich umfasst vorbehaltlich des § 30 Abs. 2 die Geschäftsleiter der Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Europäische Aktiengesellschaft („SE“), Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Unternehmergesellschaft und eingetragene Genossenschaft (Rn. 3 f. zu § 30). Gemäß § 30 Abs. 1 sind Geschäftsleiter ausländischer Kapitalgesellschaften ebenfalls umfasst, sofern diese insolvenzfähig i. S. d. § 11 Abs. 1, Abs. 2 InsO sind (vgl. K. Schmidt/K.Schmidt, InsO, § 11 Rn. 14 zur Insolvenzfähigkeit ausländischer juristischer Personen).

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Bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar über eine zwischengeschaltete Gesellschaft eine natürliche Person ist, finden gemäß § 1 Abs. 2 auf die Geschäftsleiter der zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 S. 1 entsprechende Anwendung (Rn. 3 zu § 30). Diese Geschäftsleiter sind ebenfalls vom persönlichen Anwendungsbereich des § 43 Abs. 1 umfasst. 

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Gegenstand des § 43 Abs. 1 ist die Pflicht der Geschäftsleiter, darauf hinzuwirken, dass der Schuldner die Restrukturierungssache mit Sorgfalt eines ordentlichen und Gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrt.

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Die Ausgestaltung der Pflicht der Geschäftsleiter in § 43 Abs. 1 als Hinwirkungspflicht ist missglückt. Der Geschäftsleiter ist der organschaftlicher Vertreter des Schuldners. Jedes Handeln oder Unterlassen des Schuldners ist ein solches des Geschäftsleiters. Wenn der Geschäftsleiter darauf hinzuwirken hat, dass der Schuldner die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren hat, ist es der Geschäftsleiter selbst, dem eine solche Pflicht gegenüber den Gläubigern auferlegt ist (Smid, ZInsO 2021, S. 117, 119).

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Die Normierung der in § 43 Abs. 1 geregelten Geschäftsleiterpflichten hat daher lediglich deklaratorischen Charakter. Die Pflichten des Schuldners aus dem StaRUG gelten aufgrund der Legalitätspflicht als Pflichten der Geschäftsleiter, ohne dass es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedarf (vgl. Brünkmans, ZInsO 2021, S. 1, 8). § 43 Abs. 1 stellt eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung der Legalitätspflicht der Geschäftsleiter im Hinblick auf die Pflichten des Schuldners aus dem StaRUG dar. Die Pflichten des Schuldners konkretisieren insoweit den Pflichtenkreis der Geschäftsleiter (BT-Drs. 19/25353, S. 8).

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Die Geschäftsleiter haften dem Schuldner gemäß Abs. 1 S. 2 für die Verletzung einer Pflicht aus Abs. 1 S. 1 in Höhe des den Gläubigern entstandenen Schadens, es sei denn sie haben die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. 

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Die Geschäftsleiter von haftungsbeschränkten Unternehmensträgern haben gemäß Abs. 1 S. 1 darauf hinzuwirken, dass der Schuldner die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt und die Interessen der Gläubigergesamtheit wahrt.

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Außerhalb des Anwendungsbereiches der StaRUG, das heißt vor Eingang der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht, haben die Geschäftsleiter ihr Handeln am Wohle der Interessen der Gesellschaft auszurichten (siehe z. B. Baumbach/Hueck/Buerskens, GmbHG, § 43 Rn. 8 für die Geschäftsleitung der GmbH). Abgeleitet aus der Legalitätspflicht haben sie die der Gesellschaft obliegenden gesetzlich zwingenden Vorschriften der Rechtsordnung zu wahren und sämtliche Handlungen zu unterlassen, die den Interessen der Gesellschaft zuwiderlaufen. Interessen der Gläubiger des Schuldners werden außerhalb des StaRUG nur reflexartig geschützt.

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Mit Eingang der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht ändern sich die von der Geschäftsleitung zu berücksichtigenden Interessen. Sie haben nach Abs. 1 S. 1 bei der Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren. Dieser Wechsel der zu berücksichtigenden Interessen wird als shift of fiduciary duties bezeichnet.

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Nach § 2 Abs. 1 S. 1 StaRUG-RegE sollte der Wechsel der Geschäftsleiterinteressen bereits mit Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eintreten, was im Rechtsausschuss des Bundestages jedoch mit Blick auf das unklare Verhältnis zu den im Gesellschaftsrecht verankerten Sanierungspflichten nicht umgesetzt wurde (vgl. BT-Drs. 19/25353, S. 6). Die zeitliche Anknüpfung des shift of fiduciary duties an die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache bringt Rechtssicherheit gegenüber der ursprünglich in § 2 Abs. 1 S. 1 StaRUG-RegE vorgesehenen Konzeption. Der Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit als zeitliche Anknüpfung hätte Unternehmen und Geschäftsleitung, die aufgrund ihrer Größe und ihrer Organisation über keine zumindest mittelfristige Liquiditätsprognose verfügen vor erhebliche Haftungsrisiken gestellt (Birnbreier, NZI-Beilage 2021, S. 25, 26).

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Abs. 1 S. 1 regelt die Pflichten der Geschäftsleiter. Abgesehen von der Hinwirkungspflicht werden dort keine konkreten Pflichten der Geschäftsleiter genannt. Die Norm ist vage. Das StaRUG regelt vereinzelnd originäre Pflichten der Geschäftsleiter. Der überwiegende Teil der Geschäftsleiterpflichten wird aus den Pflichten des Schuldners abgeleitet, welche die Geschäftsführer aufgrund der Legalitätspflicht zu erfüllen haben. Die Geschäftsleiterpflichten werden durch die Pflichten des Schuldners aus dem StaRUG konkretisiert (BT-Drs. 19/25353, S. 8).

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Die Geschäftsleiter haben gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 fortlaufend über Entwicklungen zu wachen, welche den Fortbestand des haftungsbeschränkten Unternehmensträgers gefährden können. Im Falle des Eintritts solcher Entwicklungen sind sie nach § 1 Abs. 1 S. 2 dazu verpflichtet, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen und den Aufsichtsorgangen Bericht zu erstatten.

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Es handelt sich bei diesen Überwachungs-, Sanierungs- und Berichtspflichten um eine Selbstverständlichkeit, die bereits vor Inkrafttreten des StaRUG zum Pflichtenprogramm der Geschäftsleitung gehörten (vgl. Gehrlein, BB 2020, S. 66, 75). Die in § 1 Abs. 1 enthaltenen Pflichten gelten unabhängig von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache. Der Wortlaut setzt die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht nicht voraus. Darüber hinaus spricht auch die Systematik des Gesetzes gegen die Erforderlichkeit der Rechtshängigkeit. § 1 ist in Teil 1 des Gesetzes geregelt. Die Vorschriften über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen sind hingegen in Teil 2 des Gesetzes geregelt. Es handelt sich um Regelungsgegenstände, die der Gesetzgeber unabhängig voneinander in dem Gesetz geregelt hat.  

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Eine Haftung der Geschäftsleiter für die schuldhafte Verletzung ihrer Pflichten aus § 1 Abs. 1 S. 1 ist gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 ausgeschlossen, wenn im Zeitpunkt der Pflichtverletzung die Restrukturierungssache nicht rechtshängig war. Die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftungsvorschriften der §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG, 34 Abs. 2 GenG bleiben dagegen unberührt.

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Die Geschäftsleiter einer juristischen Person haben nach § 1 Abs. 1 S. 1 fortlaufend über Entwicklungen der Gesellschaft zu wachen, welche den Fortbestand gefährden können (Rn. 8 f. zu § 1). Die konkrete Ausformung und Reichweite dieser Pflicht ist von der Größe, Branche, Struktur und auch der Rechtsform des jeweiligen Unternehmens abhängig (BT-Drs. 19/24181, S. 104 mit Verweis auf BT-Drs. 13/9712, S. 15).

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Eine dem § 1 Abs. 1 S. 1 entsprechende Überwachungspflicht war vor dessen Inkrafttreten bereits in § 91 Abs. 2 AktG zugunsten des Vorstandes der Aktiengesellschaft geregelt. § 1 Abs. 1 S. 1 ist an die Regelung in § 91 Abs. 2 AktG angelehnt (vgl. BT-Drs. 19/24181, S. 103). In der Literatur wurde bisher eine analoge Anwendung des § 91 Abs. 2 AktG auf andere Gesellschaftsformen, insbesondere auf die GmbH, diskutiert (vgl. MüKo-AktG/Spindler, § 91 Rn. 87 m. w. N.). Insofern ist § 1 Abs. 1 S. 1 als allgemeine und rechtsformübergreifende Regelung der Überwachungspflicht zur Rechtsklarheit begrüßenswert.

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Die Frage des „ob“ einer Risikoüberwachung steht nicht im Ermessen der Geschäftsleiters. Hinsichtlich der Frage des „wie“ der Risikoüberwachung steht den Geschäftsleitern ein Ermessensspielraum zu (vertiefend Brünkmans, ZInsO 2021, S. 1, 2).

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Erkennen die Geschäftsleiter bestandsgefährdende Risiken des haftungsbeschränkten Unternehmensträgers, sind sie gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 verpflichtet, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen (Rn. 17f. zu § 1).

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Für die Frage, ob Gegenmaßnahmen zu ergreifen sind, steht den Geschäftsleitern kein Ermessensspielraum zu (Brünkmans, ZInsO 2021, S. 1, 3). Hinsichtlich der Auswahl der zu treffenden Gegenmaßnahmen und deren Durchführung steht den Geschäftsleitern ein Ermessensspielraum zu (BT-Drs. 19/24181, S. 104).

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Erlangen die Geschäftsleiter Kenntnis über Entwicklungen, welche den Fortbestand des haftungsbeschränkten Unternehmensträgers gefährden, haben sie neben der Erfüllung der Sanierungspflicht den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen (Überwachungsorganen) gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 unverzüglich Bericht zu erstatten.

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Überwachungsorgan der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist die Gesellschafterversammlung, sofern kein Aufsichtsrat besteht. Im Falle der Aktiengesellschaft und eingetragenen Genossenschaft ist der Bericht gegenüber dem Aufsichtsrat zu erstatten.

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Berühren die aufgrund der Sanierungspflicht zu ergreifenden Maßnahmen die Zuständigkeiten anderer Organe, wie etwa der Gesellschafterversammlung, haben die Geschäftsleiter unverzüglich auf deren Befassung hinzuwirken (BT-Drs. 19/24181, S. 104).  

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Während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ruht die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsleiter gemäß § 42 Abs. 1 S. 1. An deren Stelle tritt gemäß § 42 Abs. 1 S. 2 die Pflicht der Geschäftsleiter zur Anzeige des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuld-ners an das Restrukturierungsgericht, wenn einer oder beide dieser Insolvenzgründe während der Rechtshängigkeit eintreten (Rn. 6 ff. zu § 42). Eine inhaltliche gleiche Pflicht trifft den Schuldner aus § 32 Abs. 3 selbst.

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Außerhalb des StaRUG bestehende Pflichten der Geschäftsleitung bleiben nach § 1 Abs. 3 unberührt. Die Vorschrift stellt klar, dass die gesellschaftsrechtlichen Pflichten nach anderen Bestimmungen bestehen bleiben (Gehrlein, BB 2020, S. 66, 67). Dazu zählen insbesondere die allgemeinen gesell-schaftsrechtlichen Pflichten aus §§ 43 Abs. 1 GmbHG, 93 Abs. 1 AktG, 34 Abs. 1 GenG, die Pflicht zur Einberufung einer Versammlung der Anteilseigner bei Verlust der Hälfte des gezeichneten Kapitals gemäß §§ 49 Abs. 3 GmbHG, 92 Abs. 1 AktG, die besonderen Pflichten nach Eintritt der Insol-venzreife gemäß §§ 15a, 15b InsO (soweit diese nicht ruhen, vgl. Rn. 26) ebenso wie öffentlich-rechtliche Pflichten, insbesondere aus den Sicherheits- und Ordnungsrechten, dem spezialgesetzlichen Gefahrenabwehrrecht und aus dem Steuerrecht. Sämtliche dieser Pflichten gelten, soweit nicht das StaRUG die für die Haftung nach diesen Normen relevanten Tatbestandsvoraussetzungen modifiziert (Smid,ZInsO 2021, S. 117, 119).

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Nach Eingang der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht hat der Schuldner gemäß § 32 Abs. 1 S. 1 die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu betreiben und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren (Rn. 7f., 9f. zu § 32). Mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens gibt der Schuldner selbst das Restrukturierungsziel und die zur Erreichung dieses Ziel erforderlichen Maßnahmen vor, an dem sich das unternehmerische Handeln des Schuldners auszurichten hat (Brünkmans ZInsO 2021, S. 1, 8).

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Bevor der Schuldner ein Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens i. S. d. § 29 Abs. 2 in Anspruch nimmt, haben die Geschäftsleiter die Folgen der Inanspruchnahme des beabsichtigten Instruments sorgfältig abzuwägen (Brünkmans, ZInsO 2021, S. 1, 8). Sie haben insbesondere den Restrukturierungsplan vorzubereiten und bei dessen Ausgestaltung die §§ 2 ff. zu beachten. Dabei haben sie die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger gemäß §§ 32 Abs. 1 S. 1, 43 Abs. 1 S. 1 zu berücksichtigen. 

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Der Schuldner hat nach § 32 Abs. 1 S. 2 Maßnahmen zu unterlassen, die mit der Durchführung und dem Abschluss der Restrukturierungssache nicht in Einklang stehen. § 32 Abs. 1 S. 2 enthält dazu eine nicht abschließende Aufzählung von Regelbeispielen. Danach hat der Schuldner Maßnahmen zu unterlassen, welche sich mit dem Restrukturierungsziel nicht vereinbaren lassen (Alt. 1) oder welche die Erfolgsaussichten der in Aussicht genommen Restrukturierung gefährden (Alt. 2).  § 32 Abs. 1 S. 3 enthält eine Konkretisierung, welche Handlung mit dem Restrukturierungsziel regelmäßig nicht vereinbar ist. Danach ist die Begleichung oder Besicherung solcher Forderungen, die durch den Restrukturierungsplan gestaltet werden sollen, in der Regel mit dem Restrukturierungsziel nicht vereinbar. Der Gesetzgeber hat durch die Verwendung „in der Regel“ zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei § 32 Abs. 1 S. 3 um ein Regel-Ausnahme-Verhältnis handelt. Nach hier vertretender Ansicht ist eine Ausnahme von § 32 Abs. 1 S. 3 möglich, wenn dadurch die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger nicht beeinträchtigt werden oder ein solcher Eingriff gerechtfertigt ist.

 

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Die Geschäftsleiter haben nach Eingang der Restrukturierungsanzeige beim Restrukturierungsgericht darauf hinzuwirken, dass der Schuldner die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrt, Abs. 1 S. 1. Die Geschäftsleiter haben ab Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ihr Handeln am Wohle der Interessen der Gläubigergesamtheit auszurichten.

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Der Wechsel der Wahrnehmungspflicht der Geschäftsleiter von den Interessen der Gesellschaft hin zu den Interessen der Gläubiger ist zu deren Schutze geboten. Die Geschäftsleiter erhalten durch das StaRUG weitreichende Befugnisse und Eingriffsrechte im Hinblick auf die Gestaltung der Rechtsverhältnisse des Schuldners und der Gläubiger (Birnbreier, NZI-Beilage 2021, S. 25). Die Interessen der Gläubiger sind während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache besonders schutzbedürftig, da die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens insbesondere auf Eingriffe in die Rechtsposition der Gläubiger ausgerichtet sind. Durch diese Eingriffe liegt eine konkrete Gefährdung der Gläubiger vor.

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Die Geschäftsleiter haben ab Eingang der Anzeige der Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht wie ein für die Gläubiger tätiger, selbstständiger, treuhänderischer Verwalter fremden Vermögens zu handeln (Weber/Dömmecke, NZI-Beilage 2021, S. 27, 29).

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Ursprünglich sah § 2 Abs. 4 StaRUG-RegE vor, dass die Geschäftsleiter auch die Interessen der Anteilseigner des Schuldners und der sonstigen Beteiligten, deren Interessen durch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners berührt würden, wahren sollte, falls dadurch nicht die nach § 2 Abs. 1 S. 1 StaRUG-RegE vorrangigen Gläubigerinteressen beeinträchtigt würden. Es handelte sich dabei um eine gegenüber den Gläubigerinteressen subsidiäre Pflicht zur Wahrnehmung der Interessen der Anteilseigner und sonstigen Beteiligten. Auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages hat der Gesetzgeber u. a. die Vorschriften des § 2 StaRUG-RegE nicht übernommen (zur Begründung: BT-Drs. 19/25353, S. 6). Der Gesetzgeber hat keine dem § 2 Abs. 4 StaRUG entsprechende Regelung im StaRUG aufgenommen.

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Nach hier vertretender Ansicht bedeutet dies im Umkehrschluss jedoch nicht, dass die Geschäftsleiter ihr Handeln ausschließlich an den Interessen der Gesamtheit der Gläubiger auszurichten haben (vgl. Rn. 11 zu § 32). Ein absoluter Vorrang der Interessen der Gläubigergesamtheit, der zur vollständigen Verdrängung der Interessen insbesondere der Anteilsinhaber des Schuldners führt, kann jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn die Gläubigerinteressen nicht verletzt werden. Die Geschäftsleiter haben insofern Weisungen der Gesellschafter zu beachten, als das Restrukturierungsvorhaben nicht gefährdet und Gläubigerinteressen nicht verletzt werden (Rauhut, NZI-Beilage 2021, S. 52, 54; Brünkmans, ZInsO 2021, S. 125, 128).

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Der Schuldner hat die Restrukturierungssache gemäß § 32 Abs. 1 S. 1 mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters wahrzunehmen. Die Vorschrift konkretisiert den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB im Hinblick auf die verfahrensbezogenen Pflichten des Schuldners und der Geschäftsleiter im StaRUG (vgl. Scholz, ZIP 2021, S. 219, 225; Weber/Dömmecke, NZI-Beilage 2021, S. 27, 29). Es handelt sich um einen gegenüber dem aus § 276 Abs. 2 BGB verschärften Sorgfaltsmaßstab. 

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Der Sorgfaltsmaßstab aus § 32 Abs. 1 S. 1 ist denjenigen aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG und § 43 Abs. 1 GmbHG gleichzusetzen. Der Schuldner und die Geschäftsleiter schulden die Sorgfalt, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbstständiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu beachten hat (Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 3). Sie haben wie ein selbstständiger, treuhänderischer Verwalter fremden Vermögens zu handeln (vgl. OLG Oldenburg, NZG 2007, 434, 435; OLG Zweibrücken, NZG 1999, S. 506, 507; Baumbach/Hueck/Beurskens, GmbHG, § 43 Rn. 8). Nach § 32 Abs. 1 S. 1 haben sie dabei primär die Interessen der Gläubigergesamtheit zu wahren. Insofern ist der Geschäftsleiter bei dem Restrukturierungsvorhaben ein für die Gläubiger tätiger Verwalter fremden Vermögens (vgl. Weber/Dömmecke, NZI-Beilage 2021, S. 27, 29).

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Nach § 32 Abs. 3 ist der Schuldner während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache verpflichtet, dem Restrukturierungsgericht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO und, wenn es sich beim Schuldner um eine juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 handelt, auch den Eintritt der Überschuldung unverzüglich anzuzeigen. Entsprechend § 121 BGB hat die Anzeige ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen. Eine inhaltliche gleiche Pflicht trifft die Geschäftsleiter aus § 42 Abs. 1 S. 2 selbst.

39

Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung steht der Durchführung der Restrukturierungssache in der Regel entgegen (Rn. 6 f. zu § 42). Die Anzeige soll dem Restrukturierungsgericht daher die Beurteilung ermöglichen, ob die Restrukturierungssache trotz Insolvenzreife des Schuldners fortgeführt werden kann oder im Interesse der Gläubiger, deren Interessen und Rechte mit dem Eintritt der Insolvenzreife unmittelbar gefährdet sind, zu beenden ist (vgl. BT-Drs. 19/24181, S. 145; Gehrlein, BB 2021, S. 66, 75). Diese Kompetenz des Restrukturierungsgerichts ergibt sich aus § 33 Abs. 2 Nr. 1.

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Der Schuldner ist nach § 32 Abs. 4 verpflichtet, dem Restrukturierungsgericht unverzüglich anzuzeigen, wenn das Restrukturierungsvorhaben keine Aussicht auf Umsetzung hat, insbesondere, wenn infolge erkennbar gewordenen ernsthaften und endgültigen Ablehnung des vorgelegten Restrukturierungsplans durch Planbetroffene nicht davon ausgegangen werden kann, dass die für eine Planannahme erforderlichen Mehrheiten erreicht werden können.

41

Der Anzeigegrund enthält ein prognostisches Element. Aus Sicht der Geschäftsleitung muss es überwiegend wahrscheinlich sein, dass die für eine Planannahme erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht werden können. Zweifel allein genügen nicht.

42

Den Schuldner treffen nach dem StaRUG verschiedenen weitergehenden Informationspflichten. Gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 ist er verpflichtet, dem Restrukturierungsgericht jede wesentliche Änderung mitzuteilen, die den Gegenstand des Restrukturierungsvorhabens und die Darstellung des Verhandlungsstands betrifft. Hat der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung im Sinne des § 49 erwirkt, sind nach § 32 Abs. 2 S. 2 auch wesentliche Änderungen mitzuteilen, welche die Restrukturierungsplanung betreffen.

43

Diese Informationspflichten bestehen gemäß § 32 Abs. 2 S. 3 auch gegenüber einem vom Restrukturierungsgericht bestellten Restrukturierungsbeauftragten.

44

Stellt der Schuldner gemäß § 50 einen Antrag auf Erlass einer Stabilisierungsanordnung, hat er dabei richtige und vollständige Angaben zu machen. Dazu zählen gemäß § 50 Abs. 1 die Bezeichnung des beantragten Inhalts und Dauer der Stabilisierungsanordnung, des Adressatenkreises sowie die Erklärungen des Schuldners nach § 50 Abs. 3. Danach muss er angeben, ob und in welchem Umfang und gegenüber welchen Gläubiger er sich mit der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen oder dem Steuerschuldverhältnis, gegenüber den Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten in Verzug befindet (Nr. 1), in welchen Verfahren zu seinen Gunsten innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Antrag Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach dem StaRUG oder nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 oder Nr. 5 InsO angeordnet wurden (Nr. 2) und ob er für die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre vor der Beantragung der Stabilisierungsanordnung seinen handelsrechtlichen Verpflichtungen zur Offenlegung des Jahresabschlusses  nach den §§ 325 bis 328 HGB oder aus § 339 HGB nachgekommen ist (Nr. 3). Verletzt der Schuldner diese Pflichten und erwirkt aufgrund vorsätzlich oder fahrlässig unrichtiger Angaben eine Stabilisierungsanordnung, sind die Geschäftsleiter gemäß § 57 S. 1 den davon betroffenen Gläubigern zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Es handelt sich um eine Außenhaftung. Gläubiger, die durch die Stabilisierungsanordnung einen Schaden erleiden, können ihre Einzelschäden unmittelbar gegen die Geschäftsleiter geltend machen.

45

Hat das Restrukturierungsgericht eine Verwertungssperre i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 angeordnet, ist der Schuldner gemäß § 54 Abs. 2 verpflichtet, Erlöse, die er aus der Einziehung von Forderungen oder aus der Veräußerung oder Verarbeitung beweglicher Sachen erzielt, an denen Rechte bestehen, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Aus- oder Absonderungsrechte begründen, an den Berechtigten auszukehren oder unterscheidbar zu verwahren, sofern er mit dem Berechtigten nichts Abweichendes vereinbart hat.

46

Verletzt der Schuldner die Auskehr- oder Verwahrungspflicht aus § 54 Abs. 2 schuldhaft, sind die Geschäftsleiter dem betreffenden Gläubiger zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens gemäß § 57 S. 3, 1 verpflichtet. 

47

Besondere Pflichten des Schuldners bestehen gegenüber dem vom Restrukturierungsgericht bestellten Restrukturierungsbeauftragten i. S. d. § 73.

48

Die Informationspflichten aus § 32 Abs. 2 gelten gemäß § 32 Abs. 2 S. 3 auch gegenüber dem Restrukturierungsbeauftragten.

49

Der Schuldner hat den Restrukturierungsbeauftragten nach § 76 Abs. 5 bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. In den Fällen des § 76 Abs. 2 hat der Restrukturierungsbeauftragte nach Nr. 1 u.a. die Pflicht, die Forderungen, Absonderungsanwartschaften, gruppeninterne Drittsicherheiten und Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der Planbetroffenen zu prüfen. Der Schuldner muss ihm die dazu erforderlichen Unterlagen vorlegen.

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Überträgt das Restrukturierungsgericht dem Restrukturierungsbeauftragten nach § 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) die Aufgabe, die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und dessen Geschäftsführung zu überwachen, so hat der Schuldner ihm sämtliche Auskünfte zu erteilen, die dafür erforderlich sind und ihm dazu gemäß § 76 Abs. 5 Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere zu gewähren.

51

Ordnet das Restrukturierungsgericht das Kassenführungsrecht des Restrukturierungsbeauftragten gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) an, hat der Schuldner jede Einziehung von Forderungen auf eigene Konten zu unterlassen und darf keine Zahlungen mehr leisten. Die Zuweisung des Kassenführungsrechts stellt eine rein interne Maßnahme zwischen dem Schuldner und dem Restrukturierungsbeauftragten dar. Der Schuldner bleibt nach Eingang der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht weiterhin befugt, sein Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen. Ebenso wie beim Kassenführungsrecht des Sachwalters in der der Eigenverwaltung nach § 275 Abs. 2 InsO kann der Schuldner nach Zuweisung des Kassenführungsrechts an den Restrukturierungsbeauftragten im Verhältnis zu Dritten weiterhin wirksam Zahlungen leisten und Zahlungen mit Tilgungswirkung entgegennehmen (vgl. zur Rechtslage bei der Eigenverwaltung Uhlenbruck/Zipperer, § 275 Rn. 8).

52

Setzt das Restrukturierungsgericht einen Gläubigerbeirat gemäß § 93 Abs. 1 ein, hat dieser den Schuldner zu überwachen. Der Schuldner ist verpflichtet, den Mitgliedern des Gläubigerbeirates die dazu erforderlichen Auskünfte zu erteilen und sie bei der Erfüllung ihrer Überwachungsaufgabe zu unterstützen. Darüber hinaus hat der Schuldner dem Gläubigerbeirat die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens gemäß § 93 Abs. 3 S. 2 anzuzeigen.

53

Bestellt das Restrukturierungsgericht gemäß §§ 94 Abs. 1, 95 einen Sanierungsmoderator, hat der Schuldner diesem gemäß § 96 Abs. 2 Einblick in die Bücher und Geschäftsunterlagen zu gewähren und ihm die angeforderten zweckmäßigen Auskünfte zu erteilen.

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Der Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass die Geschäftsleiter die Pflichtverletzung zu vertreten haben. Nach der Beweislastregel des Abs. 1 S. 2 wird das Vertretenmüssen der Pflichtverletzung vermutet. Die Geschäftsleiter können sich exkulpieren, wenn sie die Pflichtverletzung nicht zu vertreten haben (vgl. BT-Drs. 19/24181, S. 108).

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Der Verschuldungsmaßstab der Geschäftsleiter ergibt sich aus §§ 276 ff. BGB. Die Geschäftsleiter haben nach § 276 Abs. 1 S. 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Der Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB wird durch § 43 Abs. 1 S. 1 konkretisiert (vgl. Scholz, ZIP 2021, S. 219, 225; Weber/Dömmecke, NZI-Beilage 2021, S. 27, 29). Die Geschäftsleiter haben gemäß Abs. 1 S. 1 für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einzustehen. Es handelt sich um einen gegenüber dem aus § 276 Abs. 2 BGB verschärften Sorgfaltsmaßstab. 

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Nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 S. 2 haben die Geschäftsleiter dem Schuldner den Schaden zu ersetzen, der den Gläubigern entstanden ist. Das ist bemerkenswert, da hier Geschädigte (die Gläubiger) und der Inhaber des Schadensersatzanspruchs (der Schuldner) unterschiedliche Personen sind. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist damit ein Gesamtschaden zu ersetzen, also der Quotenschaden, den die Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des schuldnerischen Vermögens erlitten haben (vgl. § 92 S. 1 InsO), etwa durch Verringerung der Aktiva oder Vermehrung der Passiva. Bei diesem Gesamtgläubigerschaden soll es sich nach der Begründung zu § 3 StaRUG-RegE (auch) um einen Schaden des Unternehmensträgers handeln, „weil sich mit jedem Verlust, den die Gläubiger zu tragen haben, die Krise vertieft und der Unternehmensträger sich weiter von dem Zustand entfernt, der es ihm erlaubt, außerhalb eines Insolvenzverfahrens weiter seinem Zweck nachzugehen“. Angesichts der Zweckausrichtung des schuldnerischen Vermögens während der Restrukturierungssache hin zu den Interessen der Gläubiger „erscheinen“ dem Gesetzgeber „Verluste, welche die Gläubiger erleiden, als Schaden der Gesellschaft“ (vgl. BT-Drs. 19/24181, S. 108). § 43 Abs. 1 S. 2 räumt mit dieser Begründung den haftungsbeschränkten Unternehmensträgern einen Schadensersatzanspruch gegen ihre Geschäftsleiter in Höhe des Gesamtschadens ein, den die Gläubiger durch die Pflichtverletzung der Geschäftsleiter erleiden. Dieser Schadensersatzanspruch ist der Höhe nach durch den den Gläubigern entstandenen Schaden begrenzt.

57

Dass deswegen die Gläubiger selbst ihren jeweiligen Quotenschaden nicht geltend machen können (so Brünkmans ZInsO 2021, 125, 128) ergibt sich nicht aus einer spezialgesetzlichen Kompetenzzuweisung zum Einzug des Schadensersatzanspruches. Einer dem § 92 S. 1 InsO entsprechenden Norm mit einer Sperrwirkung („können … nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden“) bedarf es nicht, da der Schuldner seinen eigenen Schadensersatzanspruch selbst einzieht (siehe Rn. 56). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll die Ausgestaltung der Geschäftsführerhaftung als reine Innenhaftung aber wohl dazu führen, dass die geschädigten Gläubiger keinen Anspruch gegen die Geschäftsleiter geltend machen können sollen. In der Praxis dürfte sich die Frage ohnehin nicht stellen, da es dem einzelnen Gläubiger kaum gelingen wird, eine Pflichtverletzung der Geschäftsleitung und den ihm daraus resultierenden Schaden darzulegen, die zu einem Quotenschaden im Restrukturierungsverfahren geführt haben.

58

Der Schadensersatzanspruch des § 43 Abs. 1 S. 2 ist nur auf den Gesamtschaden gerichtet (so auch Bitter, ZIP 2021, S. 321, 333; Brünkmans, ZInsO 2021, S. 125, 128; Gehrlein, BB 2020, S. 66, 75; Smid, ZInsO 2021, S. 117). Einzelschäden der Gläubiger sind dagegen von Abs. 1 S. 2 nicht erfasst (Brünkmans, ZInsO 2021, S. 125, 128). Die Ausgestaltung der Rechtsfolge des Abs. 1 S. 2 als Ersatzpflicht des Quotenschadens entspricht der Vorgabe in Erwägungsgrund 71 der Restrukturierungsrichtlinie (Weber/Dömmecke, NZI-Beilage 2021, S. 27, 29).

59

Der Schaden berechnet sich entsprechend dem Quotenschaden der Insolvenzgläubiger aus der Differenz zwischen dem (Soll-)Saldo von Vermögen und Verbindlichkeiten ohne die Pflichtverletzung und dem aus der Pflichtverletzung resultierenden (Ist-)Saldo von Vermögen und Verbindlichkeiten (vgl. K. Schmidt/K. Schmidt, InsO, § 92 Rn. 6 für den Quotenschaden nach § 92 InsO; ähnlich auch Smid, ZInsO 2021, S. 117, 118, der indes nur auf die Differenz der Verbindlichkeiten abstellt und damit die Möglichkeit der Reduzierung des Vermögens außer Acht lässt.).

60

Der Schadensersatzanspruch des Schuldners aus § 43 Abs. 1 S. 2 richtet sich nur gegen das jeweilige Mitglied der Geschäftsleitung, welches die ihm obliegende Pflicht verletzt hat. Die übrigen Mitglieder der Geschäftsleitung haften dafür nicht. Eine Zurechnung von Fehlverhalten anderer Organmitglieder erfolgt nicht (vgl. für Geschäftsführer § 43 GmbHG, Baumbach/Hueck/Beurskens, GmbHG, § 43 Rn. 59 und für Vorstände § 93 AktG, MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 163).

61

Verletzen mehrere Geschäftsleiter ihre Pflichten aus Abs. 1 S. 1, haften sie als Gesamtschuldner gemäß § 421 BGB (BT-Drs. 19/24181, S. 108; Smid, ZInsO 2021, S. 117, 118). Voraussetzung der gesamtschuldnerischen Haftung ist, dass jeder einzelne Geschäftsleiter in seiner Person die Haftungsvoraussetzungen erfüllt.

62

Das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen kann sich daraus ergeben, dass die Geschäftsleiter gemeinsam pflichtwidrig gehandelt haben oder bei entsprechender Handlungszuständigkeit nicht tätig geworden sind (MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 163). Darüber hinaus kann sich eine gesamtschuldnerische Haftung bei einer Ressortaufteilung ergeben, wenn ein Geschäftsleiter eine in sein Ressort fallende Pflicht verletzt und die übrigen Geschäftsleiter ihre ressortübergreifende Überwachungspflicht verletzen (Baumbach/Hueck/Beurskens, GmbHG, § 43 Rn. 59).

63

Im Innenverhältnis haften die Geschäftsleiter zueinander nach § 426 BGB. Sie sind grundsätzlich zu gleichen Anteilen verpflichtet, sofern keine abweichende Aufteilung entsprechend den Verschuldensanteilen oder der Art der Pflichtverstöße geboten ist (Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 Rn. 38). Für die Verschuldensanteile wird § 254 BGB analog herangezogen (Baumbach/Hueck/Beurskens, GmbHG, § 43 Rn. 62 m. w. E.).

64

Es gelten die allgemeinen Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast. Der Schuldner muss die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und erforderlichenfalls beweisen. Er hat die Pflichtverletzung des Geschäftsleiters, den Schadenseintritt sowie die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität (a. A. Weber/Dömmecke, NZI-Beilage 2021, S. 27, 29 wonach Geschäftsleiter Pflichtgemäßheit seines Handelns darzulegen habe) darzulegen. Für Darlegung und Beweis des Schadens dem Grunde und Höhe nach sowie der haftungsausfüllenden Kausalität kann sich der Schuldner in gerichtlichen Verfahren auf die Erleichterungen des § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO berufen (MüKo-ZPO/Prütting, § 287 Rn. 1, 13). Der Schuldner muss das Vertretenmüssen der Pflichtverletzung durch den Geschäftsführer nicht nachweisen. Zu seinen Gunsten vermutet Abs. 1 S. 2, dass die Geschäftsleiter die Pflichtverletzung zu vertreten haben. Die Geschäftsleiter können sich ggf. exkulpieren und erforderlichenfalls nachweisen, dass sie die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betrieben und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger gewahrt haben.

65

Ein Verzicht oder Vergleich des Schuldners über Haftungsansprüche aus Abs. 1 S. 2 ist nach Abs. 2 S. 1 grundsätzlich ausgeschlossen, soweit der Schadensersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Verzicht im Sinne der Vorschrift ist weit zu verstehen. Davon umfasst sind neben Erlassvertrag und negativen Schuldanerkenntnis im Sinne des § 397 BGB auch ein Entlastungsbeschluss der Gesellschafterversammlung, soweit diesem Verzichtswirkung zukommt (vgl. BGH, NJW-RR 1986, 1293, 1294 für Ersatzanspruch aus §§ 30, 43 GmbHG). Vergleich bedeutet einen Vergleich im Sinne des § 779 BGB oder ei-nen Prozessvergleich. Die Vorschrift entspricht § 9b Abs. 1 S. 1 GmbHG, die für die Haftung des GmbH-Geschäftsführers aus § 43 Abs. 2, 3 S. 2 GmbHG gilt. Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für die Erforderlichkeit für die Gläubigerbefriedigung ist der Abschluss des Vergleichs oder Verzichts. Dieser ist nur wirksam, wenn dann feststeht, dass bis zur Verjährung des Anspruchs keine weitergehende Geltendmachung für die Gläubigerbefriedigung erforderlich werden kann (vgl. Baumbach/Hueck/Servatius, GmbHG, § 9b Rn. 2). Unabhängig davon ist ein Verzicht oder Vergleich gemäß Abs. 2 S. 2 wirksam, wenn sich der Geschäftsleiter zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen mit seinen Gläubigern vergleicht, wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan gere-gelt wird oder wenn für den Schuldner ein Insolvenzverwalter handelt.

66

Der Haftungsanspruch aus Abs. 1 S. 2 verjährt nach Ablauf von fünf Jahren, Abs. 3 S. 1. Ist der Schuldner im Zeitpunkt der Pflichtverletzung eine börsennotierte Gesellschaft, beträgt die Verjährungsfrist nach Abs. 3 S. 2 zehn Jahre.

67

Abs. 3 enthält eine Sonderverjährung, die von der Regelverjährung des § 195 BGB abweicht. Die Verjährung entspricht derjenigen der gesellschaftsrechtlichen Haftungsansprüche aus §§ 43 Abs. 4 GmbHG, 93 Abs. 6 AktG, 34 Abs. 6 GenG. Als Sonderverjährung richtet sich der Beginn der Verjährungsfrist nach § 200 S. 1 BGB. Der Lauf der Verjährung beginnt mit der Entstehung des Anspruches (vgl. Baumbach/Hueck/Beurskens, GmbHG, § 43 Rn. 103 für die GmbH). Für die Anspruchsentstehung ausreichend ist der Eintritt des Schadens bei dem Schuldner dem Grunde nach. Die Bezifferbarkeit des Schadens ist unbeachtlich. § 199 Abs. 1 BGB findet keine Anwendung, der Lauf der Verjährung beginnt kenntnisunabhängig. Für die Fristberechnung gelten die §§ 187 ff. BGB. Der erste Tag der Verjährungsrist ist gemäß § 187 BGB grundsätzlich der auf die Anspruchsentstehung folgende Tag (MüKo-BGB/Grothe, § 200 Rn. 3).

68

Über die Verjährungsfristen kann im Gesellschaftsvertrag und Anstellungsvertrag im Hinblick auf Abs. 2 S. 1 zu Lasten der Gläubiger grundsätzlich nicht disponiert werden.

69

Anspruchsinhaber ist der Schuldner. Der Gesetzesentwurf hatte neben der Innenhaftung gegenüber dem Schuldner aus § 3 Abs. 1 StaRUG-RegE zusätzlich eine Außenhaftung der Geschäftsleiter gegenüber den Gläubigern des Schuldners in Anlehnung an die Haftung des Insolvenzverwalters aus §§ 60, 61 InsO vorgesehen (vgl. Brünkmans, ZInsO 2021, S. 1, 10). Jeder Gläubiger hätte danach den ihm aus einer während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache begangenen schuldhaften Pflichtverletzung entstandenen Schaden gegen die Geschäftsleiter geltend machen und Zahlung an sich selbst verlangen können (BT-Drs. 19/24181, S. 146; Thole, ZIP 2020, S. 1985, 1986). Der Gesetzgeber hat diese in § 45 StaRUG-RegE geregelte Außenhaftung der Geschäftsleitung nicht übernommen und stattdessen die Haftung der Geschäftsleiter in Abs. 1 S. 2 als reine Innenhaftung ausgestaltet. Die Haftung reiht sich damit in das für juristische Personen bestehende gesellschaftsrechtliche Haftungskonzept der Binnenhaftung ein, das sich auch in §§ 43 Abs. 2 GmbH, 93 Abs. 2 AktG, 34 Abs. 2 GenG findet.

70

Während im Insolvenzverfahren der Insolvenzverwalter gemäß § 92 S. 1 InsO oder im Falle der Anordnung der Eigenverwaltung der Sachwalter gemäß §§ 280, 92 InsO Gesamtschäden der Gläubiger gegen die Geschäftsleiter geltend macht, fehlt es im StaRUG an einer vergleichbaren Einziehungsbefugnis. Stattdessen hat der Gesetzgeber die Ansprüche dem Schuldner selbst zugewiesen (siehe dazu oben Rn. 56 f., 69). Das präventive Restrukturierungsverfahren kennt keine Partei kraft Amtes, die – wie der Insolvenzverwalter oder Sachwalter – für die Einziehung von Ansprüchen des Schuldners zuständig ist. Dem Restrukturierungsbeauftragten fehlt eine solche Kompetenz (Smid, ZInsO 2021, S. 117, 118). Eine analoge Anwendung der §§ 92, 280 InsO auf den Restrukturierungsbeauftragten kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht (vgl. auch Brünkmans, ZInsO 2021, S. 125, 128).

71

Mangels anderweitiger Kompetenzzuweisung ist auf die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zurückzugreifen (vgl. Smid, ZInsO 2021, S. 117, 118). Bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist der Schadensersatzanspruch gemäß § 48 Nr. 8 GmbHG von den Gesellschaftern, bei der Aktiengesellschaft gemäß § 112 S. 1 AktG und der eingetragenen Genossenschaft gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 GenG jeweils vom Aufsichtsrat geltend zu machen. Bei Personenhandelsgesellschaften ist gemäß § 125 Abs. 1 HGB jeder Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt. Die Vertretungsbefugnis umfasst nach § 126 Abs. 1 HGB alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen. Wird in dem Gesellschaftsvertrag die Vertretungsbefugnis nicht abweichend von § 125 Abs. 1 HGB festgelegt, ist jeder Gesellschafter zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches berechtigt.

72

Bei der Einmann-Gesellschaft, insbesondere in Form der Einmann-GmbH und der GmbH & Co. KG, bei welcher der alleinige Kommanditist zugleich alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin ist, bestehen praktische Durchsetzungsschwierigkeiten. Es ist nicht zu erwarten, dass der Gesellschafter den Schadensersatzanspruch des Schuldners gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG gegen sich selbst geltend macht. In diesem Fall bleibt nur die Möglichkeit, den Schadensersatzanspruch im Falle des Scheiterns und Aufhebung der Restrukturierungssache im Anschlussinsolvenzverfahren durch den Insolvenzverwalter gemäß § 92 InsO geltend zu machen (vgl. Weber/Dömmecke, NZI-Beilage 2021, S. 27, 28; Brünkmans, ZInsO 2021, S. 125, 128). Ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung wird nach dem Scheitern des Restrukturierungsverfahrens regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen. 

73

Neben der Haftung aus § 43 Abs. 1 S. 2 besteht die allgemeine rechtsformspezifische Geschäftsleiterhaftung gegenüber der Gesellschaft aus §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 3 AktG, 34 Abs. 2 GenG für die Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten fort (vgl. Scholz, ZIP 2021, S. 219, 225).

74

Aufgrund des Ruhens der Insolvenzantragspflicht aus § 42 Abs. 1 S. 1 kommt während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache eine Haftung der Geschäftsleiter aus §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO nicht in Betracht. Die Haftung der Geschäftsleiter für verbotene Zahlungen aus dem Vermögen des Schuldners ab Eintritt der Insolvenzreife aus § 15b Abs. 4 InsO bleibt demgegenüber grundsätzlich unberührt (siehe dazu Rn 14 zu § 89 und Brinkmann, ZIP 2020, S. 2361, 2368; Desch, BB 2020, S. 2498, 2501), wird aber durch § 89 Abs. 3 modifiziert (siehe dazu Rn. 16 f. zu § 89). 

75

Eine Außenhaftung der Geschäftsleiter ergibt sich aus § 57 S. 1 gegenüber Gläubigern, die einen Schaden durch eine Stabilisierungsanordnung erleiden, die der Schuldner aufgrund vorsätzlich oder fahrlässig unrichtiger Angaben erwirkt hat (siehe dazu Rn. 7 f. zu § 57). Im Falle der gerichtlichen Anordnung einer Verwertungssperre besteht zudem eine Haftung aus § 57 S. 1 gegenüber einem Gläubiger, der einen Schaden durch eine nicht ordnungsgemäße Auskehrung oder Verwahrung der Erlöse aus der Veräußerung von der Verwertungssperre erfassten Vermögensgegenstände erleidet.

76

Darüber hinaus kann eine deliktische Haftung der Geschäftsleiter in Betracht kommen. Verletzen die Geschäftsleiter ein Schutzgesetz schuldhaft, sind sie gemäß § 823 Abs. 2 BGB demjenigen zum Schadensersatz verpflichtet, dessen Schutz das Gesetz bezweckt. Die Anzeigepflicht der Geschäftsleiter aus § 42 Abs. 1 S. 2 stellt ein Schutzgesetz dar (Thole ZIP 2020, 1985, 1991; Brinkmann, ZIP 2020, S. 2361, 2368). Die Pflichten des Schuldners und der Geschäftsleiter aus § 32 Abs. 1 S. 1 und Abs. 1 S. 1 sind dagegen keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (Braun-StaRUG/Haffa/Schuster, § 32 Rn. 15; Braun-StaRUG/Weber/Dömmecke, § 43 Rn. 1; offengelassen für § 32: Scholz, ZIP 2021, S. 219, 226). Als weitere Schutzgesetze kommen in Sanierungsfällen insbesondere die §§ 263, 266, 266a StGB in Betracht. Die Geschäftsleiter haften bei einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nach § 826 BGB. 

77

Die Haftung der Geschäftsleiter für Steuerverbindlichkeiten des Schuldners aus §§ 34, 69 AO besteht während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ebenfalls fort. Nach § 15b Abs. 8 S. 1 InsO gilt dies ausnahmsweise nicht für solche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, die zwischen dem Eintritt der Insolvenzreife und der gerichtlichen Entscheidung über den Insolvenzantrag entstanden sind, sofern die Geschäftsleiter ihre Pflichten aus § 15a Abs. 1 InsO ordnungsgemäß erfüllt haben. Im Falle der verspäteten Insolvenzantragstellung gilt dies gemäß § 15b Abs. 8 S. 2 InsO nur für solche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, die nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung fällig werden.